Schöne Worte

Erst Zürich, dann Berlin. Auch in der Hauptstadt viele Menschen, die zufrieden schienen und konsumierten. Aber wenn man so dahinschlendert und sich das so anschaut, sieht man eine Welt, in der jeder Käse dick angepriesen wird. Überall Botschaften und Versprechungen, überall  Lügen.

Es ist alles ja nicht schlimm. Wir dürfen uns aber nicht daran gewöhnen. Die Kette Rituale verkauft (in Zürich zum Beispiel) Shampoos und Duschgels in bunten Packungen, und sie gaben ihnen Namen wie Tao und Wu wei, einfach, weil das gut klingt. Es sind aber echte Werte, die in anderen Kulturen heilige Bedeutung haben. Bei uns müssen sie für ein Shampoo herhalten; es ist, als würde eine chinesische Shampoofirma ein Produkt Jesus Christus nennen. Verbrecherisch ist das.

Dieser Konsumwelt ist nichts heilig, alles wird vermanscht, aufgefressen und dadurch zerstört. Pandora verkauft kleine Ketten mit Steinen daran, die je nach Farbe Schönheit, Wohlstand oder Glück heißen. Es hat keinerlei Bedeutung, es ist einfach erfunden. Es gibt ja eine Symbolik der Farben, die im Orient gilt, aber hier ist nichts dahinter, es ist alles leer. (Marco Pierfranceschi aus Rom schreibt in seinem aktuellen Blogbeitrag, freilich auf Italienisch,  über Ideologien und betont, dass die Konsumideologie für geringwertige und verderbliche Güter die Erde zerstört.)

Man hat sich bereits daran gewöhnt, dass jede Firma ihre Produkte heftig bewirbt, aber ich finde, die Anmaßung darin ist immer schlimmer geworden. Da werden Gefühle bemüht, die nichts damit zu tun haben. Edeka liebt Lebensmittel, die Berliner Verkehrsbetriebe lieben ihre Kunden, sagen sie, und wie stand das auf einem Plakat: Deine Mutti holt dich nicht um 4.30 Uhr morgens ab, wir schon. Wir lieben dich. Sie nehmen aber Geld dafür, sie machen es nicht aus Menschenliebe. Das ist alles gelogen. Liebe in der Werbung zu verbraten ist auch verbrecherisch.

Der Lindenhof im Sony-Center wirkt wie ein bayerischer Biergarten, ist aber eine Erfindung, eine Simulation. Alle möglichen Restaurants sind aufgehübscht und geben sich edel, und gibt sich ein Restaurant schlicht, ist es vielleicht auch nur eine Masche. Das Ziel der Protagonisten unserer Welt ist vielleicht nur, den Menschen das Geld aus der Tasche zu holen, um es sich woanders wieder aus der Tasche holen zu lassen. Es ist eine Geldverteilmaschine. Das ist ja überhaupt der Sinn des Wirtschaftens: Leute arbeiten und können dadurch leben. Wenn man sich das bewusst machen würde, dann würde man aber auch gut zu den Angestellten sein. Ist man aber nicht. Es wird immer gespart und geknausert, wenn es um den Menschen geht.

Der Tourist sucht immer das Authentische, doch das zu finden, wird immer schwieriger. In den kommerzialisierten Städten findet er es nicht. Manchmal geht mir dieses Marktschreierische auf den Wecker. Davonlaufen möchte man. Alle wollen anders und recht toll sein, putzen sich heraus und geben an, doch es ist nichts dahinter. Die Leere gähnt dahinter.

Nach den Anschlägen des vergangenen Jahres pries man immer die freie Meinungsäußerung als den höchsten Wert dieser Kultur. Wir sollten wirklich einmal in uns gehen und uns fragen, was unsere Werte sind. Wollen wir frei sein? Wollen wir eine große Familie sein? Oder wollen wir glänzen und gelten wie die verlogen angepriesenen Produkte? Wir dürfen der Lüge nicht auf den Leim gehen.

Die Lüge verbirgt sich hinter geschönten Worte, hinter der Wortkosmetik. Die Welt soll passend gemacdht werden, also errichtet man Tabus. Man muss die Nazivergangenheit totschweigen, man darf niemanden diskriminieren, andernfalls muss man mit dem sozialen Tod rechnen. Die Leute haben schon ein wenig Angst; sie wollen nichts Falsches sagen. Und die Medien verkaufen die Geschichten so, dass alles passt. Später war es dann … anders. Hier macht sich ein Leben des Scheins breit.

Ich jedenfalls möchte mich dieses Jahr abseits halten von allem, heilige Texte lesen und schöne, wahre Sätze schreiben.

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