Mord auf offener Straße

Italien hat sich Anfang März ein Gesetz gegeben, das Autofahrer streng bestraft, die andere Verkehrsteilnehmer ums Leben bringen, und wenn Alkohol und Drogen mitwirkten, fällt die Strafe noch härter aus. Das Gesetz betrifft den omicidio stradale, den Mord auf der Straße. Die Angehörigen von Verkehrsopfern, die Jahrzehnte um ein solches Gesetz gekämpft hatten, zeigten sich gerührt.
Wer mit 1,5 Promille Alkohol im Blut jemanden mit dem Auto tötet, wird demnach mit 8 bis 12 Jahren Gefängnis bestraft, und ein Alkoholgehalt von 0,8 Promille führt zu 5 bis 10 Jahren Haft. Doch auch Fahrlässigkeit und zu hohes Tempo können mit zwei bis sieben Jahren Haft geahndet werden, freilich für Unbescholtene ausgesetzt zur Bewährung. Früher kam ein verantwortungsloser Autofahrer mit zweieinhalb Jahren davon.

Der 54 Jahre alte Lenker eines Geländewagens, der im November 2012 bei Lodi mit 1,5 Promille Alkohol im Blut sein Fahrzeug in einer 70er-Zone auf 12o beschleunigte und die 17-jährige Ardea Trini auf ihrem Fahrrad totfuhr, wurde dafür mit vier Jahren Haft bestraft. Er war gewiss nicht vorbestraft und musste die Haft nicht antreten. Eine solche milde Strafe wirde es künftig nicht mehr geben. Von 2008 bis heute starben in Italien durch die »Straßen-Piraterie« 1000 Menschen, und 7000 wurden verletzt.

Nach dem Tod einer jungen Radfahrerin in Rom im November 2014 gründete sich die Bewegung Salva i ciclisti, die Druck machte und mehr Sicherheit anmahnte. Es gab viele öffentliche Demonstrationen. Auch manipogo hat immer wieder auf die vielen Unglücke durch unberechenbare Autofahrer hingewiesen.

Vor vier Jahren begann der Kampf um das Gesetz, und vier Regierungen hat es seither gegeben. Als Gegner des Gesetzes entpuppten sich natürlich die Konservativen und Rechten, die freie Fahrt für freie Bürger befürworten, egal, welche Folgen das zeitigt. Italien beklagt jedes Jahr über 4000 Verkehrstote und in Europa den höchsten Satz an tödlich verunglückten Radfahrern: 260 sind es im Durchschnitt jedes Jahr. Viele Opfer sind Fußgänger, die sogar auf Zebrastreifen niedergefahren werden. Die Verkehrsmoral in Italien ist beklagenswert, die Verehrung des Automobils hat groteske Züge angenommen.

Weltweit sterben jedes Jahr 1,24 Millionen Menschen durch Verkehrsunfälle, und es wird hochgerechnet, dass es im Jahr 2030 etwa 3,6 Millionen sein könnten, da China und Indien ihren Fahrzeugbestand sehr aufstocken. Das motorisierte Fahrzeug ist eine Pest. Die Freiheit, die uns durch den Individualverkehr verheißen wurde, hat sich in ein Laster verwandelt. Dennoch nimmt die Zahl der Fahrzeuge weiter zu.

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