Brückenbauer

Brücken sind architektonisch interessant. Man kann eine hässliche oder eine schöne Brücke bauen: wichtig ist es, dass es sie gibt. Natürlich interessiert manipogo weniger die statische und tragende Funktion der Brücke, sondern die übertragene, die symbolische. Die wichtigsten Brücken sind unsichtbar.
Statt eines Essays darum ein paar Zitate zu den Brücken.

Weit stärker als heute bildeten in alten Zeiten Gebirge, Hügelzüge, Schluchten, Flüsse und Bäche für Verkehrswege schwer zu überwindende Hindernisse. Verkehrsfeindliche Landstriche blieben weglos, wo der Mensch es nicht verstand, die natürlichen Sperren mit Kunstbauten zu bezwingen.
― Willi Geiger, Regierungsrat, Vorwort zu »St. Galler Brücken« (1987)

Im symbolischen Sinn des Wortes gibt es Brücken der Verständigung zwischen Menschen, Völkern und Weltanschauungen. Möge das Bemühen um den geistigen Brückenbau ebenso gelingen, wie dies bei technischen Werken der Fall ist.
― Werner Stadelmann, Einleitung zu »St. Galler Brücken« (1987)

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Schamanen sind strukturelle Ingenieure der Seele ― Brückenbauer ―, die mit den Augen ihres Geistes die imaginären Schluchten (gaps) zwischen Bezirken überbrücken. Sie können zwischen den Welten wandern.
― vermutlich aus John Jay Harper, Tranceformers (2002)

Sir John Eccles: ›Gott ist in der Lücke (the gap)! … Er ist in dem Raum zwischen Gehirnzellen, die die Neurologie die synaptischen Spalten oder die Lücke (gap) nennt. Gott ist in den kleinen Synapsen zwischen zwei Nervenendungen … er ist in dem Feld aus Licht, das Materie und besonders unsere Gehirnneuronen aufleuchten lässt!
― John Jay Harper, Traceformers (2002)

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Dies ist eine Periode in der Geschichte, in der es zwischen Menschen große Abgründe gibt ― Abgründe, die den Osten vom Westen trennten, den Norden vom Spüden, die Schwarzen von den Weißen, die Reichen von den Armen … Daher ist es eine Zeit, in der das Bauen von Brücken über diese Abgründe durch Menschen mit Mut und Einsicht dringend benötigt wird.
― Gina Cerminara, Many Livers, Many Loves (1963)

Rabbi Nachman brachte seinen Schülern bei, dass das zeitgebundene Leben nichts ist als eine schmale Brücke, aber dass man sich nicht fürchten sollte, denn jenseits dieser schmalen Brücke aus Zeitsequenzen und Raumerfahrung innerhalb rationaler Begrenzungen werde sich dem Inititiierten bald ewige Grenzenlosigkeit eröffnen.
― Shlomo Giora Shoham; The Bridge of Nothingness (1994)

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Die Schamanen müssen wie die Abgeschiedenen im Lauf ihrer Unterweltsreise eine Brücke überschreiten. Wie der Tod enthält auch die Ekstase eine ›Veränderung‹, welche der Mythos plastisch durch einen gefährlichen Übergang ausdrückt.
― Mircea Eliade, Schmanismus und archaische Ekstasetechnik (1957)

Wir werden eine kurze Zeit geliebt und dann vergessen. Aber die Liebe wird gereicht haben; alle Handlungen der Liebe kehren zu der Liebe dessen zurück, der sie geschaffen hat. Nicht einmal die Erinnerung ist für die Liebe nötig. Es gibt eine Welt der Lebenden und eine Welt der Toten, und die Brücke ist die Liebe, das einzige Überleben, die einzige Bedeutung.
― Thornton Wilder, Die Brücke von San Luis Rey

 

Zwei Mal hatte ich schon über Brücken geschrieben: Die Holzbrücke; Die Brücke hinüber (schon damals mit Thornton Wilder).

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