Munthe und Myers

Ich hatte Das Buch von San Michele nicht sorgfältig genug gelesen. Oder die wichtige Stelle vergessen, die mich nun elektrisierte, da sie den schwedischen Arzt Axel Munthe, den das Buch über sein Haus auf Capri berühmt machte, und Frederick William Henry Myers zusammenführt, mit dem ich mich gern beschäftige.
pic58Die Stelle in dem Buch, die Ende Januar 1900 in Rom spielt, bringt auch Professor William James ins Spiel, der uns dann zu James Hyslop führt, aber erst einmal: Worum geht es? Axel Munthe hat eine Praxis in Rom an der Spanischen Treppe, wird zu einem englischen Patienten ins Hotel Hassler gerufen. Groß war sein Erstaunen, als er Myers erkannte, den er schon lange liebte und bewunderte, den Autor von Human personality and ist survival of bodily death! »Seine Atmung war flach und sehr mühsam, das Gesicht bläulich und verfallen, nur die herrlichen Augen waren geblieben.« (Illustration: das bekannte Portrait von Myers)

Myers freute sich. In London hatten sie zusammen gespeist und danach bis in die Nacht über Tod und Jenseits diskutiert. Dann betrat Professor William James das Zimmer, der berühmte amerikanische Philosoph. Draußen erzählte er Munthe »von der feierlichen Abmachung zwischen ihm und seinem Freunde, dass der, welcher zuerst stürbe, im Augenblick des Eingehens in das Reich des Unbekannten dem anderen eine Nachricht senden solle; sie glaubten beide an die Möglichkeit einer solchen Verständigung. … Er sank in einen Stuhl nieder an der offenen Tür, das Notizbuch auf den Knien, die Feder in der Hand, bereit, die Botschaft mit der ihm eigenen wissenschafltichen Genauigkeit entgegenzunehmen.

Drinnen erfuhr Myers, dass es heute soweit sein würde. Er brachte noch heraus »Sagen Sie William James, sagen Sie ihm …« Myers‘ letzten Worte waren: »Ich bin sehr müde und glücklich.« Munthe schreibt: »Als ich ging, sah ich William James noch in seinem Sessel sitzen, zurückgelehnt, das Gesicht mit den Händen bedeckend, das aufgeschlagene Noizbuch noch auf den Knien ― die Seite war leer.«

Es hatte also nicht geklappt. Derartige Abmachungen waren damals unter Parapsychologie-Forschern normal, seltsam nur, dass sie die Nachricht im Augenblick des Ablebens empfangen wollten. Wer stirbt, hat wirklich andere Probleme, als seinem Freund einen Satz zu schicken. Bei den Ankündigungsfällen ― wenn also jemand im Augenblick des Todes einem Angehörigen oder Freund als Geist erscheint ― konnte man nie klären, was sie auslöst, vermutlich ein intensiver Gedanke des Sterbenden, der spontan ein Abbild, ein Double, aussendet.

Doch Anfang des 20. Jahrhunderts, als in London hervorragende Medien tätig waren, gab es eine gute Chance, dass man einmal eine Botschaft auffangen würde. Zwei Jahre nach Myers‘ Tod begannen die sensationellen Cross Correspondences, die 30 Jahre dauerten und in Tausenden Seiten resultierten. Sie waren gespickt mit literarischen und mythologischen Anspielungen, dass man dachte, niemand anders als Myers müsse die Zentralfigur im Jenseits sein.

Myers hatte vor seinem Tod bei einem Anwalt eine Botschaft hinterlegt, auf die er sich nach seinem Ableben aus dem Jenseits beziehen wollte. Sie hieß, wenn er einen Platz auf Erde wieder aufsuchen wolle, würde es das Tal von Hallstead in Cumberland sein (wo seine Geliebte Annie Hall gelebt hatte). In einer Kommunikation im Sommer 1904 wurde etwas von »Liebe, die den Abgrund überwindet« gesagt. Als im Dezember die posthume Botschaft veröffentlicht wurde, waren alle enttäuscht, obwohl es ja eine schwache Verbindung gab.

William James starb 1910. Er hatte anscheinend it seinem Kollegen James Hyslop einen ählichen Vertrag geschlossen, und auch da dauerte es lange, bis James »durchkam«. Irgendein Medium fing den an Hyslop gerichteten Satz auf: »Denk an den roten Schlafanzug!« Das wurde zu einer tollen Geschichte, da niemand außer Hyslop (und James) wissen konnte, dass die beiden einmal ohne ihre Koffer, der verlorengegangen waren, in einem Hotel ankamen, und James lächerliche rote Schlafanzüge kaufte. James soll später über ein weiteres Medium zwei Bücher geschrieben haben, in dem er sich streng und unnachgiebig gibt, wie er es auch zu Lebzeiten gewesen war.

James Hyslop (1854 geboren) starb 1920. Auch er meldete sich regelmäßig über Medien mit Botschaften, und natürlich gibt es keine Beweise dafür, dass »er« es war, doch haben wir so viele schöne Belege, dass an der Möglichkeit, von drüben zu kommunizieren, nicht zu zweifeln ist. Schwierig ist es aber. Myers selbst schrieb einmal von drüben, er fühle sich wie jemand, der hinter einer Milchglasscheibe einer begriffsstutzigen Sekretärin etwas zurufen wolle oder wie jemand, der einem Betrunkenen einen verständlichen Satz einschärfen müsse.

 

Artikel mit Frederick William Henry Myers: Mister Myers; Psi-Experimente (I): Orakel und Medien; Telepathie, Hellsehen und Präkognition; Die Lady am Lift.

 

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