Die Gesellschaft des Spektakels

Gleich weiter mit der Gesellschaftskritik, da wir gerade dabei sind. Da war vor einer Woche das Fußball-Freundschaftsspiel Deutschland gegen Italien, das 4:1 endete und im ersten Fernsehprogramm übertragen wurde. Das Spiel war langweilig, klar, und ich dachte an das Buch Die Gesellschaft des Spektakels von Guy Debord (1931-1994), das 1967 herauskam.

Das Spiel fand in München statt, und vorher hatte es auch eine Schweigeminute für die Opfer von Brüssel gegeben. Dachte jemand an die Kinder und Frauen von Lahore? Nein. Lahore ist weit weg, gehört anscheinend nicht zu unserer Welt. Wenn es einmal für Opfer in Bagdad und Damaskus Schweigeminuten gibt, sind wir ein Stück weitergekommen.

Jedenfalls gab es vier Stunden Fußball im Fernseh-Hauptabendprogramm, wobei es sich lediglich um Freundschaftsspiele von Nationalmannschaften handelte, also um bedeutungslose Kickertreffen. Trotzdem volles Aufgebot des Mediums Fernsehen. Mario Götze, um dessen Psyche es in einem kleinen Beitrag ging, verdient beim FC Bayern, wie ich der tz entnehme, 12 Millionen Euro im Jahr. Dass der arme Kerl bei nun acht Bayern-Spielen nicht zum Einsatz kam, wird beklagt. Nicht spielen und dafür trotzdem eine Million Euro bekommen, wer wollte das nicht? Eine Million im Monat! Dieser Beitrag über Götze, einen unbedarften harmlosen Zeitgenossen, der zufällig Fußball spielne kann und das Glück hatte, einen wichtigen Treffer zu erzielen, war Zynismus pur. Da werde ich jetzt noch wütend.

Dieser Junge verdient so viel wie das ganze Polizeipräsidium Lahore und das gesamte pakistanische Kabinett. Dieser gedankenlosen Gesellschaft beim Erzeugen von Spektakeln zu helfen, macht einen stinkreich. Es ist schwindelerregend. Dann muss man in der FAZ auch noch über die Sorge eines jungen Fußballprofis lesen, angesichts der Millionen, die auf sein Konto fließen, nicht die »Bodenhaftung« zu verlieren. Es ist einfach obszön, — aber anscheinend nicht in den Augen des westlichen Konsumenten, der  zwar, anders als sein Ahne im Mittelalter, nicht hungert, ansonsten aber genauso fatalistisch ist wie dieser. Man muss den großen Geld-Fußball unbedingt boykottieren. Ich tu es!

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Jedenfalls denken wir an das Event des Fußball-Freundschaftsspiels, wenn wir die folgenden Zitate von Guy Debord lesen, die er veröffentlichte, als Adorno gerade gestorben war.

Das Spektakel überhaupt ist, als konkrete Verkehrung des Lebens, die eigenständige Bewegung des Unlebendigen. Das Spektakel ist … das Herz des Irrealismus der modernen Gesellschaft.

Das Spektakel will es zu nichts anderem bringen als zu sich selbst.

Das Spektakel ist die ununterbrochene Rede, die die gegenwärtige Ordnung über sich selbst hält, ihr lobpreisender Monolog. Es ist das Selbstportrait der Macht in der Epoche ihrer totalitären Verwaltung der Existenzbedingungen.

Das Spektakel ist das Kapital in einem solchen Grad der Akkumulation, dass es zum Bild wird.

An diesem Punkt der zweiten industriellen Revolution wird neben der entfremdeten Produktion der entfremdete Konsum zu einer zusätzlichen Pflicht für die Massen.

Das Spektakel ist bereits in sich selbst der Pseudogebrauch des Lebens.

Die Gesellschaft des Spektakels ist diejenige, in der die Ware sich selbst in einer von ihr geschaffenen Welt anschaut.

Ein Kommentar zu “Die Gesellschaft des Spektakels”

  1. Regina

    Lieber Mandy!

    Unser Sohn Jan hat bereits vor ein paar Jahren in den strengen „Stützpunkt-Trainingstunden“, das ihm vom Verein vorgeschlagen wurde, sich nie wohlgefühlt und hat diesen von sich aus wieder verlassen, was mir sehr gefallen hat, im Gegensatz zu anderen Menschen hielt ich das „den kleinen Menschen Illussionen von großen Fußballstars“ vorzumachen, für falsch und richtig empfand er es wohl auch, dass er eben zum Spaß im kleinen Dorfverein weiterspielt…. – guter Beitrag, Danke liebe Grüße, Regina