Vormarsch der Technik

Vormarsch der Technik. Darf man noch Vorsprung durch Technik schreiben? Der Audi-Slogan wurde 1971 erdacht und 2001 weltweit geschützt. Ich erinnere mich noch an das Konzert von U 2 im Januar 1993 mit ihrem Album Achtung Baby und dem Song Zooropa. Ein Beitrag über die Technik.

Fahrkartenautomaten, elektronische Steuererklärung, Tausende Apps, die Aussicht auf selbstfahrende Autos, Roboter und Smart Homes … die Technik (oder Technologie) fängt an, uns zu überrollen. Wer sich ihr entzieht, wird künftig von den »Segnungen der Zivilisation« abgeschnitten sein und eine Randexistenz führen müssen. (ich bin bereit dazu.) Was uns als Verbesserung und Erleichterung unseres Lebens wirkt, könnte uns abhängig und unglücklich machen.

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Erst kürzlich kam ich an einem solchen Mähgerät in action vorbei. Verstörend. Ich sah sogar schon ein Schild: »Hier mäht Charlie.« Man muss in dem Buch Wired for War von P. W. Singer lesen, wie Soldaten die Roboter, die sie in einen Einsatz schicken, vermenschlichen. — Wie kam es dazu? Der Biologe Lyall Watson (1939–2008) erklärte in seinem Buch Vom geheimen Leben der Dinge, man müsse an ein System denken, das einer einzigen Anweisung folgt. Eine Große Maschine könnte uns eingeredet haben: »Du sollst Dinge ausfindig machen, die glänzen«, sie nur seien schön.

Aus jener simplen Anweisung folgt alles weitere; wir sind ihr praktisch mit geöffnetem Visier ausgeliefert. Wir bringen die glänzenden Dinge nach Hause, und binnen kurzem gibt es Habgier, Wettstreit, Aggression und die zügellose Entwicklung von Technik. Eine Abfolge, die unausweichlich zu dem Maschinen-Zeitalter führt und zur Erschaffung einer mechanischen Kultur, die nun bereit zu sein scheint, unsere Stelle einzunehmen. (Das schrieb er 1992.)

Singer lässt in Wired for War Hans Moravec zu Wort kommen, den Direktor des Robotics Institute der Carnegie Mellon Universität. Er meint: »Die Roboter werden schließlich auf uns folgen; der Mensch sieht eindeutig seiner Auslöschung entgegen.«

Etwas dunkler, aber dennoch auf verständliche Weise befasst sich der Philosoph Martin Heidegger (1889-1976) in einem Aufsatz über Metaphysik mit dem Drang des Menschen, Technik hervorzubringen.

Die Vernutzung aller Stoffe, eingerechnet den Rohstoff »Mensch«, zur technischen Herstellung der unbedingten Möglichkeit eines Herstellens von allem, wird im Verborgenen bestimmt durch die völlige Leere, in der das Seiende, die Stoffe des Wirklichen, hängt. Diese Leere muss ausgefüllt werden. Da aber die Leere des Seins, zumal wenn sie als solche nicht erfahren werden kann, niemals durch die Fülle des Seienden aufzufüllen ist, bleibt nur, um ihr zu entgehen, die unausgesetzte Einrichtung des Seienden auf die ständige Möglichkeit des Ordnens als der Form der Sicherung des ziellosen Tuns. Die Technik ist von da gesehen, weil auf die Leere des Seins wider ihr Wissen bezogen, die Organisation des Mangels. Überall, wo an Seiendem zu wenig ist – und es ist wachsend überall immer für den sich steigernden Willen zum Willen alles zu wenig –, muss die Technik einspringen und Ersatz schaffen und die Rohstoffe verbrauchen.

Technik hat sich selbst zum Ziel und sei ein Entbergen, schreibt Heidegger in Die Frage nach der Technik (1954). Wenn das, was da erfunden und freigesetzt wird, jedoch eine Art von Bestellen ist, ein Herausholen und Verbrauchen, dann »spreizt sich« der Mensch »in die Gestalt des Herrn der Erde« auf. Er sieht nur noch Technik und ignoriert »jenes Entbergen, das … das Anwesende ins Erscheinen her-vor-kommen lässt«. Vielleicht gibt es noch andere Strömungen, denen man folgen kann? Nirgends steht geschrieben, dass die künftige »schöne neue Welt« auf der Basis von Mikrochips und Schaltkreisen funktionieren müsse. Dass es noch andere Möglichkeiten gibt als die, die Welt und sich mit elektronischen gadgets (Spielzeugen) zu überziehen, sieht der Mensch nicht. Er bewegt sich auf einen Abgrund zu.

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