Eine Professorenbiografie

Vor Jahren dachte ich an die Gnosis, trat in Konrads Antiquariat in Landsberg am Lech ein — und da lag das Buch: Die Gnosis. Autor: Hans Leisegang. 1924 hat er dieses Buch verfasst, und im Jahr darauf wurde er Professor in Leipzig. Wenn ich jetzt den Klappentext über Leisegangs Leben lese, denke ich mir stets: Unglaublich. Das ist ein Roman. Hier kommt er.

»Prof. Dr. Dr. Hans Leisegang wurde am 13.3.1890 in Blankenburg, Thüringen geboren. 1911 Promotion zum Dr. phil. in Straßburg. 1916−1918 Heeresdienst. Verwundung. 1920 Habilitation und venia legendi [Lehrberechtigung] für Philosophie, Pädagogik und Psychologie a. d. Universität Leipzig. 1925 daselbst a. o. Professor. 1930 o. [ordentlicher] Professor in Jena. 1931 Lessingpreis der Stadt Braunschweig.« Da war er 41 und hatte eine Menge erreicht. Dann kamen die Nazis.  

»1934 sechs Monate Gefängnis wegen ›Beschimpfung des Nationalsozialismus‹. 1937 Dienstentsetzung [Entlassung], danach Studium der Physik, 1942 Promotion zum Dr. rer. nat. und Tätigkeit als technischer Physiker. 1945 Wiedereinsetzung als Professor der Philosophie an der Universität Jena.« Zehn Jahre verloren, aber unverdrossen erobert sich der Geisteswissenschaftler auch die Naturwissenschaften, und nach dem Krieg ist er wieder in Jena wie 1930. Dann … die DDR-Kommunisten.  

»1948 Entlassung und Flucht nach West-Berlin. 1948 Ordinarius für Philosophie an der Freien Universität. Am 5. April 1951 in Berlin verstorben.« Leisegang war alles andere als ein Leisetreter; er war ein Kämpfer. Seine Leistung wurde anerkannt. Er hat sich alles wiedergeholt. Am Ende, kurz vor seinem Tod, wird er womöglich an die schöne Sentenz der mandäischen Gnostiker gedacht haben: »Das Leben ist siegreich, und siegreich ist der Mann, der hierher gegangen ist.« Schauen wir uns noch seine Buchveröffentlichungen an:  

Der Heilige Geist, 1919; Pneuma Hagion, 1922; Die Gnosis, 1924; Philonis Alexandrini opera quae supersunt. Vol. VII 1926/1930; Denkformen, 1928; Lessings Weltanschauung, 1931; Goethes Denken, 1932. Danach ist nichts mehr aufgeführt. Danach musste Hans Leisegang in dem Irrsinn der 1930-er- und 1940-er Jahre seinen Weg finden. Unglaublich. 

 

 

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.