Geistererscheinungen

Damit wir in der Theorie etwas weiterkommen, fahre ich nun mit Teil 3 meines Essays über Psi-Spontanphänomene fort. Der Teil 1 lief im August unter dem Titel Die Lady am Lift, Teil 2 unter Die Phänomene.  Nun geht es um die Geister, und es ist der Beginn einer Serie vorbereiteter Beiträge, da ich bis Ende des Monats in Bayern bin.

Geister besitzen eine gewisse Substanz; da ist etwas, andernfalls hätten nicht Tausende normaler Menschen im nüchternen Zustand berichtet, einen Geist gesehen zu haben. Er ist das vage Duplikat einer Person, wirkt abwesend und eben geisterhaft, weshalb Dialoge mit ihnen selten überliefert werden. Der Amerikaner Hornell Hart war der Ansicht, Erscheinungen seien ein »Vehikel von Bewusstsein«, das US-Medium Eileen Garrett glaubte das nicht. 

Sehr oft zeigt sich ein geisterhaftes Duplikat, während der Mensch, der hier sein Abbild zeigt, gerade im Sterben liegt: Womöglich hat er in seinen letzten Momenten an den die gedacht, vor dem »er« dann erscheint; vielleicht sagen wir mit der US-Autorin Stacy Horn einfach, Geister seien »das, was von der Liebe übrigbleibt«, zeugten von der Hoffnung, dass die Liebe andauere.   

Die Londoner Pioniere legten 1884 die Fallsammlung Phantasms of the Living vor, zehn Jahre später den »Halluzinations-Zensus«, für den sie 17000 Menschen befragten. Das Ergebnis lautete, wie W. H. Salter zusammenfasste, so, dass einer von zehn Menschen ein paranormales Erlebnis gehabt habe, einer von zwanzig eine Erscheinung und einer von dreißig die Erscheinung einer ihm bekannten Person gesehen habe.

Die Erscheinungen im Augenblick des Todes nannten sie »Death Coincidences«, und da legten die Forscher Grenzen fest: Um Krisenerscheinungen sollte es sich handeln, wenn ein Geist von 12 Stunden vor dem Tod bis 12 Stunden nach dem Tod auftaucht. In der großen Studie der englischen Vereinigung waren Erscheinungen Lebender doppelt so häufig wie die Erscheinungen Verstorbener.   

Es war die größte Sammlung von paranormalen Erlebnissen, die man einfach »Halluzinationen« nannte, und als »wahrheitsgemäß« (veridical) wurden die paranormalen Erfahrungen bezeichnet. Die Psi-Phänomene kamen später, und der Begriff  »Spontanphänomene« soll von Joseph Banks Rhine stammen, der von den belasteten Geistererscheinungen und den ghost stories wegkommen wollte. Er erfand auch die neutral klingende »Außersinnliche Wahrnehmung«, um niemanden abzuschrecken. Heute wird, aus ähnlichen Beweggründen, gern von »außergewöhnlichen Erfahrungen« gesprochen, was auf die amerikanische Bibliothekarin und Parapsychologin Rhea White zurückgeht, die EHE eingeführt hatte, die Exceptional Human Experiences.   

Ernesto Bozzano sammelte vor 100 Jahren in Italien, der Astronom Camille Flammarion in Frankreich Erlebnisse, und später, von 1948 bis in die Mitte der 1970-er Jahre trug Louisa Rhine in den USA 14000 Berichte zusammen. Im deutschsprachigen Raum bereitete Aniela Jaffé in der Schweiz eine Befragung von 1500 Lesern auf. In Island fand Erlendur Haraldsson viele Zeugen, in Edinburgh sammelte das „Koestler Institute“ Zuschriften. Als erste kümmerten sich die Gründer der Society for Psychical Research um die Randbedingungen. Wenn die Zeugen nüchtern und glaubwürdig waren, fanden sie heraus, lag bei ihnen oft eine leichte Absenz vor, wie sie beim Lesen eines Buchs, beim Dösen oder etwa bei einer Überfahrt auf dem Schiff auftritt.  

In der Parapsychologie gibt es Fallstudien — dazu zählen die Erscheinungen —, die Feldforschung (ein Experiment veranstalten) und die Experimente im Labor. Der Wunschtraum eines Forschers in Bezug auf Geister ist eine kollektive Sichtung. Wenn mehrere Zeugen einen Geist gesehen haben, kann niemand behaupten, alle seien betrunken gewesen oder hätten sich getäuscht. Solche Fälle sind äußerst selten. Doch hier darf man sich an den großen amerikanischen Psychologen William James halten, der einmal sagte, wenn man beweisen wolle, dass nicht alle Krähen schwarz seien, müsse man nur eine einzige weiße finden. 

Im Sommer 1880 saßen 14 Offiziere des 5. Kavallerieregiments im Kasino der Regimentskaserne von Aldershot (England) zusammen. Es war sieben Uhr abends, und sie sahen, wie eine Dame im Kostüm aus weißer Seide mit einem Brautschleier über dem Gesicht den Saal betrat. Sie verharrte kurz am Ende der Tafel und verschwand in der Küche. Die fünf Offiziere am oberen Ende der Tafel sahen sie alle. Sie waren sicher, dass es sich um eine Person aus Fleisch und Blut gehandelt hatte. 

Die Offiziere, die die Erscheinung gesehen hatten, gaben an, sie sei schön gewesen, dunkelhaarig, und sie habe traurig gewirkt. Da fiel dem Obersten Vandeleur ein: »Das war doch die Frau von Tierarzt X., die in Indien gestorben ist.« Bald wurde bekannt, dass der Tierarzt am selben Nachmittag in die Kaserne zurückgekommen war. Am nächsten Morgen fand ein Diener den Mann tot im Bett.

Hauptmann Norton hatte die traurige Pflicht, die letzten Habseligkeiten des Toten zusammenzupacken. Sein Blick fiel auf eine Fotografie der Dame, die er am Abend zuvor gesehen hatte: Sie war so abgebildet, wie sie aufgetreten war, im Brautkostüm. Am Ende der Geschichtes sind die Namen der Offiziere aufgeführt, die die Erscheinung gesehen hatten.

Teil 4 folgt später.  

 

 

 

 

 

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