Liebesgedichte von Catull

Erstaunlich, dass das melancholische August-Gedicht Einsamer nie von Gottfried Benn nur einmal im August von mir verwendet wurde. Wir wollen uns Liebesgedichten zuwenden, und der erste Autor ist der Römer Catull.

Catulls Familie lebte in Verona, und der Vater besaß ein Landhaus auf der Insel Sirmio im Gardasee. Catull wurde zwischen 87 und 84 vor Christus geboren, übersiedelte nach Rom und fing zu dichten an. Er war als Republikaner gegen Caesar, der bei seinem Vater zu Gast war und im Jahr 59 zum Konsul ernannt wurde. Bald danach muss Catull gestorben sein, entweder im Jahr 54 oder erst 50. Alt wurde er nicht.

Seine Gedichte sprechen vom Alltagsleben. Der Übersetzer Carl Fischer meint in meinem alten Büchlein: »Wir spüren, dass er ein intelligenter junger Mann gewesen sein muss, frech und sympathisch, anständig, sauber … Ein Mensch, für den Freundschaft und Liebe ethische Werte sind und der für seine Ideale kämpft. Ein leidenschaftlicher Mensch, kein Spaßverderber und ein guter Kamerad.«

Acme, seine Geliebte, auf dem Schoße
Haltend, sagte Septimius: »Meine Acme,
Wenn unsäglich ich dich nicht liebe und nicht
Fest entschlossen bin, alle Jahre so dich
Immerdar auch zu lieben bis zum Wahnsinn,
Soll mir einsam in Indien oder Libyen
Eines tödlichen Löwen Wut begegnen!«
Sprach’s, und Amor begab sich schnell von links nach
Rechts und nieste ihm herzlich seinen Beifall.
Acme drehte ihm sanft ihr Köpfchen hin, um
Ihres schönen Geliebten trunkne Augen
Mit dem purpurroten Mund zu küssen … und sie
Sprach: »Mein Leben, du, mein Septimchen, lass uns
Diesem einzigen Herrn allein nur dienen,
Und so wahr mir ein vielmals stärkres Feuer
Tief in der zärtlicher Seele innen lodert!«
Sprach’s, und Amor begab sich schnell von links nach
Rechts und nieste ihr herzlich seinen Beifall.
Auf so glückliche Zeichen fest vertreauend
Tauschen beide von Herzen Lieb um Liebe.
Seine einzige Acme liebt Septimius
Mehr als Syriens und als Britanniens Reichtum:
Einzig treu dem Septim gewähret Acme
Ihm als einzigem ihrer Wonnen Süße.
Wer hat frohere Menschen je gesehen,
Wer von Venus so schön beschützte Liebe?

Ich finde so wenig Bilder mit glücklichen Paaren. Hier: Gianni und Elena, 2007

Ich finde so wenig Bilder mit glücklichen Paaren. Hier: Gianni und Elena, 2007

Wahrlich, diese Leute in Rom verstanden zu leben! Sie hielten Trinkgelage, dichteten und liebten – grad wie die Griechen ein paar Jahrhunderte vorher.

Herrlich wirst, mein Fabull, du bei mir speisen,
Und in Kürze, wenn dir die Götter hold sind,
Wenn dein Essen du schön dir selber mitbringst,
Und ein Mädchen dazu, ein hübsches Mädchen,
Wein und Würze und sehr viel gute Laune!
Wenn du, sagt ich, mein Freund, dies alles mitbringst,
Kannst du wunderbar speisen; dein Catullus
Hat nur Spinnweben in der leeren Tasche.
Doch als Gegengeschenk bekommst du Liebe,
Und was herrlicher ist und noch viel feiner:
Eine Salbe bekommst du, die wohl Amor
Selber meiner Geliebten neulich schenkte;
Riechst du diese, dann bittest du die Götter,
Dass sie ganz dich, Fabull, zur Nase machen.

Man denkt unwillkürlich an Horaz, noch zu Lebzeiten des Catull geboren und im Jahr 8 vor unserer Zeitrechnung gestorben. Ihm habe ich drei Beiträge gewidmet: Winterdiyll von Horaz; Schlaffheit; Das kleine Landgut. – und beim nächsten Gedicht muss man an die 24mila baci denken, die 24.000 Küsse, über die Adriano Celentano gesungen hat.

Lass uns leben, o Lesbia, lass uns lieben,
Das Geschrei der empörten Tugendgreise:
Keinen Heller soll uns es künftig wert sein!
Wenn die Sonne versinkt, so kehrt sie wieder:
Wir, wenn unsere kurzen Tage sinken,
Schlafen ewig die Eine Nacht ohn Ende.
Gib mir tausend und wieder hundert Küsse ,
Wieder tausend und nochmals hundert Küsse;
Und wenn’s viele geworden, viele tausend,
Lass die Zahl uns vergessen und nicht wissen,
Dass kein Auge, kein böses, uns beneide
Und nicht ahne die Zahl so vieler Küsse.   

Teresa_von_Avila-Verzueckung

Catull wandelte das Motiv noch einmal ab:

Wieviel Küsse es braucht, so fragst du, dass sie,
Liebste Lesbia, einst mein Verlangen stillen?
Wieviel libyschen Sand die Wüsten bergen
In Cyrene, wo hoch das Sylphion blühet,
Wo des Ammon geweihter Tempel stehet
Und das heilige Grab des alten Battus:
Wieviel Sterne in stiller Nacht herabschaun
Auf die heimliche Liebeslust der Menschen:
Soviel müsstest du Küsse küssen, dass sie
Das Verlangen Catulls erfüllen, stillen!
Keine Neugier vermöchte sie zu zählen
Und auch keine Verleumdung sie zu schmähen.

Das hören wir uns auch im Original an, auf Latein:

Quaeris quot mihi basiationes
tuae, Lesbia, sint satis superque?
quam magnus numerus Libyssae harenae
Iaserpiciferis iacet Cyrenis,
oraclum Iovis inter aestuosi
et Batti veteris sacrum sepulcrum;
aut quam sidera multa, cum tacet nox,
furtivos hominum vident amores;
tam te basia multa basiare
vesano satis et super Catullo est,
quae nec pernumerare curiosi
possint nec mala facinare lingua.

 

 

 

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