Dantons Tod

Am 19. Juni 1956 wurden in Algerien zwei Männer, Zabana und Ferradj, im Namen des Gesetzes durch die Guillotine hingerichtet. Das war 160 Jahre nach der Französischen Revolution und 120 Jahre nach Erscheinen des Dramas Dantons Tod von Georg Büchner. Damals, 1835, war die Revolution noch nah, und auch in Deutschland gärte es. Büchner studierte in Zürich und starb dort 1m 19. Februar 1837, 23 Jahre alt. Lenz heißt ein Artikel auf dem frühen manipogo über ihn, und der Büchner-Preis ist begehrt.   

Damals war romantischer Überschwang. Versteht heute keiner mehr. Aber ich litt 1975 noch romantisch mit dem jungen Werther Goethes, die Jugend denkt anders und gibt sich hitzig hin. Danton sagt in der ersten Szene zu Julie:

Nein, Julie, ich liebe dich wie das Grab … Nein, höre! Die Leute sagen im Grab ist Ruhe, und Grab und Ruhe seien eins. Wenn das ist, lieg ich in deinem Schoß schon unter der Erde. Du süßes Grab, deine Lippen sind Totenglocken, deine Stime ist mein Grabgeläute, deine Brust mein Grabhügel und dein Herz mein Sarg.

DSCN3995

Am Ende wird Danton hingerichtet werden, wird unter die Guillotine gelegt. Der Boden ist bereitet. Danton will sich hingeben. In der fünften Szene sagt er zu Marion:

Ich möchte ein Teil des Äthers sein, um dich in meiner Flut zu baden, um mich auf jeder Welle deines schönen Leibes zu brechen.

Wie reden heute junge Liebende? Ich weiß das nicht. Danton jedenfalls redet leidenschaftlich, und einer seiner Sprüche zur Politik ist volkstümlich geworden. Wenn er sagt:

Ich weiß wohl, — die Revolution ist wie Saturn, sie frisst ihre eigenen Kinder.

Ihn zu töten, das würden sie nicht wagen, denkt er. Doch das Schlimmste sollte man immer denken, auch bei Hitler dachten die Bürger, es werden nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht werde. Doch der schlimmste Fall trat ein, die Nazis meinten, was sie sagten und handelten danach, mit unerbittlicher Härte und letzter Konsequenz. Später (sechste Szene) sagt Danton zu Robespierre:

Wo die Notwehr aufhört, fängt der Mord an. Ich sehe keinen Grund, der uns länger zum Töten zwänge.

Robespierre sagt darauf, wer eine Revolution zur Hälfte vollende, grabe sich sein eigenes Grab.

Die ganze Gesellschaft ist noch nicht tot, die gesunde Volkskraft muss sich an die Stelle dieser nach allen Richtungen abgekitzelten Klasse setzen. Das Laster muss bestraft werden, die Tugend muss durch den Schrecken herrschen. 

Das hätten die Nationalsozialisten auch so unterschrieben. Sie sagten immer, es müsse sein. Wir müssen uns opfern. Himmler sagte in Posen 1943 den SS-Führern, sie müssten es erdulden, hunderte oder tausende Leichen auf einem Haufen liegen zu sehen, es sei nötig, dieses Opfer zu bringen. Danton sagt zu Julie:

Es muss, das war dies Muss. Wer will der Hand fluchen, auf die der Fluch des Muss gefallen? Wer hat das Muss gesprochen, wer? Was ist das, was in uns hurt, lügt, stiehlt und mordet? Puppen sind wir von unbekannten Gewalten am Draht gezogen; nichts, nichts wir selbst! Die Schwerter, mit denen Geister kämpfen, man sieht nur die Hände nicht wie im Märchen. Jetzt bin ich ruhig.

Ruhe wolle er, sagt er zu Philippeau. Und die Ruhe sei

Im Nichts. Versenke dich in was Ruhiges, als das Nichts und wenn die höchste Ruhe Gott ist, ist nicht das Nichts Gott? Aber ich bin ein Atheist. Der verfluchte Satz: etwas kann nicht zu nichts werden! und ich bin etwas, das ist der Jammer! Die schöpfung hat sich so breit gemacht, da ist nichts leer, alles voll Gewimmels. Das Nichts hat sich ermordet, die Schöpfung ist seine Wunde, wir sind seine Blutstropfen, die Welt ist das Grab worin es fault. (…) Die Welt ist das Chaos. Das Nichts ist der zu gebärende Weltgott … 

Klingt sehr nach Nietzsche. Dann holen sie die Gefangenen ab. Der Wagen fährt zum Hinrichtungsort. Danton, zynisch, zu Fabre:

Leb wohl, mein Freund. Die Guillotine ist der beste Arzt.

Julie hat sich das Leben genommen, und Lucile vermerkt nach all dem Schrecken, was andere auch schon vermerkt haben:

Das hilft nichts, da ist noch alles wie sonst, die Häuser, die Gasse, der Wind geht, die Wolken ziehen. – Wir müssen’s wohl leiden.

 

 

 

 

 

 

 

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.