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Johnny also in der anderen Welt, in einer neuen Dimension. Der Siziliander Andrea Camilleri auch, seit gestern. 94 ist er geworden, und mit 69 debütierte er mit einem Roman über den Kommissar Salvo Montalbano. 27 Bücher mit ihm schaffte er, zuzüglich 60 andere Romane. Da kommt ja meine kleine Meditation über den Tod gerade recht, die ich schon am 10. Juni angefangen hatte, noch bevor Camilleris Herz aussetzte.

In dem Buch Alles ist nur Übergang (Herausgeberin Friedrike Wallner, Fischer Taschenbuch, 1991) fand ich eine Stelle aus dem Roman Effi Briest von Theodor Fontane, das schön auf mein Buch Fomo hinweist, in dem es um die Angst geht, etwas zu verpassen. Effis Mutter sagt: »Du wolltest mir etwas erzählen.« Und Effi, dem Tod nahe, erzählt:

Ja, das wollte ich, weil du davon sprachst, ich sei noch so jung. Freilich bin ich noch jung. Aber das schadet nichts. Es war noch in glücklichen Tagen, da las mir Instetten abends vor; er hatte sehr gute Bücher, und in einem hieß es, es sei wer von einer fröhlichen Tafel abgerufen worden, und am anderen Tage habe der Abgerufene gefragt, wie’s denn nachher gewesen sei. Da habe kann ihm geantwortet: »Ach, es war noch allerlei; aber eigentlich haben Sie nichts versäumt.« Sieh, Mama, diese Worte haben sich mir eingeprägt – es hat nicht viel zu bedeuten, wenn man von der Tafel etwas früher abgerufen wird. (S. 79/80)

Jean Cocteau schrieb:

DSCN4553Nach dem Ableben von Jean Giraudoux veröffentlichte ich einen Abschiedsbrief, der mit den Worten schloss: »Ich werde nicht lange brauchen, um dich einzuholen.« Man schalt mich wegen dieses Satzes, den man pessimistisch und mutlos fand. Er war es ganz und gar nicht. Ich wollte damit nur sagen, dass es sich, sollte ich auch hundert Jahre alt werden, nur um Minuten handeln kann. Das aber wollen die wenigsten Leute zugeben, die anderen sehen nicht, dass wir unseren Beschäftigungen nachgehen und Karten spielen in einem Expresszug, der dem Tod entgegenjagt. (S. 115)

Sagt ja auch Ungaretti:

All’infinito se durasse il viaggio,
Non durerebbe un attimo, e la morte
È già qui, poco prima.

Sollte das Leben auch unendlich dauern, so wäre es nur ein Augenblick, und der Tod ist schon hier, kurz vorher. — Nach Giraudoux‘ Tod 1944 dauerte es noch kurz, fast 20 Jahre, bis Jean Cocteau hinüberging, 1963 war das. Auch schon wieder lange her. Wenn das Leben zu Ende ist, kommt es einem wie ein Atemzug vor. Schön war es trotzdem.

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Kürzlich fand ich die Worte des Meisters, womit Paramahansa Yogananda (1893-1952) gemeint war. Er schildert uns Details aus jener künftigen Welt.

Eine Gruppe von Jüngern wanderte mit dem Meister auf dem Rasen vor der Einsiedelei in Encinitas, von wo aus man auf den Ozean hinabblicken kann. Es war ein nebliger und trüber Tag, und jemand bemerkte: »Wie kalt und düster es ist!«
»Dies etwa ist die Atmosphäre, die einen erdgebundenen Menschen nach seinem Tode umgibt«, sagte der Meister. »Er gleitet aus dieser Welt in eine Art dichten Nebel hinein und kann nichts mehr klar erkennen. Eine Zeitlang kommt er sich verloren vor und fürchet sich. Dann gelangt er – seinem Karma gemäß – entweder in eine helle Astralwelt, um sich geistig höherzuentwickeln, oder er sinkt in einen Zustand der Betäubung, bis der richtige karmische Augenblick für eine Wiedergeburt auf der Erde gekommen ist.
Das Bewusstsein eines frommen Menschen, der Gott liebt, wird vom Übergang aus dieser Welt in eine andere nicht verwirrt. Er gelangt mühelos in eine Sphäre des Lichts, der Liebe und der Freude.« (S. 88)

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Ein anderer Jünger sagt ihm, er habe nie an den Himmel glauben können. Ob es wirklich einen solchen Ort gebe?

»Ja«, antwortete Paramahansaji. »Wer Gott liebt und auf Ihn vertraut, geht nach seinem Tode dorthin. Auf jener Astralebene kann man alles sofort durch die Kraft der Gedanken materialisieren. Der Astralkörper besteht asu schimmerndem Licht. In diesem Bereich gibt es Farben und Klänge, von denen man auf Erden nichts ahnt. Es ist eine wunderschöne und erfreuliche Welt, aber selbst das Erlebnis des Himmels stellt noch nicht den höchsten Zustand dar. Der Mensch erreicht die allerhöchste Glückseligkeit erst dann, wenn er die Welt der Erscheinungen hinter sich lässt und sowohl Gott als auch sich selbst als Absoluten GEIST erlebt.« (S. 77)    

 

Bilder:
oben: aus dem Zug, bei Pisa; Mitte: Santa Marinella; unten: meine Yucca auf dem Balkon, als sie noch klein war. 

Die 3 Artikel über Montalbano-Romane:
Das schützende Netz
Die Klinge aus Licht.

 

 

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