Das Leben, ein Traum

Das Leben ist ein Traum – La vida es sueño – nannte Pedro Calderón de la Barca (1600-1681) ein Theaterstück. Könnte das sein? Träumt der Schmettering, von dem ich träume, vielleicht mich, wie Lao-Tse spekulierte? Vielleicht erkennen wir einmal das Irreale des Lebens, und manipogo führt Elemente daraus an.

Wir sind mittendrin, und womöglich nehmen wir alles zu ernst wie die Schauspielerin, die auf der Bühne eine Schauspielerin verkörpert, die eine Schauspielerin verkörpert, die eine Schauspielerin verkörpert?  Der Meister, Paramahansa Yogananda, sagt dazu:

Dieses Leben ist ein meisterhafter Roman, den Gott selbst geschrieben hat, und der Mensch würde den Verstand verlieren, wenn er versuchte, ihn nur mit seiner Vernunft zu erfassen. … Erweitert den magischen Kelch eurer Intuition, dann werdet ihr fähig werden, das Meer unendlicher Weisheit aufzunehmen.

34ff

Jene, die eine Nahtod-Erfahrung gemacht haben, berichten oft, ihnen seien dort draußen im All alle Fragen beantwortet worden, sie hätten jede Lebensminute aller Wesen gekannt und plötzlich gewusst, das alles so hat sein müssen und sein muss. William James sagte aus dem Jenseits: »Bereitet euch darauf vor, eine unermesslich weise Ordnung zu erfahren.« Vielen schien das Gelebte wie ein Traum, der schon zu verblassen begann, und sie fühlten sich allen Menschen verbunden.

Das ist gewiss eine der letzten, großen Wahrheiten: Dass wir alle zusammengehören, nicht nur Brüder und Schwestern, sondern gewissermaßen ein Körper sind. Zudem sind wir Gottes Arme und Beine, Hände und Füße, wir machen Erfahrungen für Ihn, wir drücken die Absicht der Quelle aus, jedoch noch ungeschickt. Letztlich wird alles ein großes Theaterstück gewesen sein, doch das erkennen wir erst, wenn der Vorhang fällt – oder aufgeht; wenn wir erwacht sind.

DSCN5226Das ist etwa der Fall für Marcello Bacci, dessen Tod ich hier nachtragen muss. Er war 1927 geboren und lud 40 Jahre lang Hinterbliebene einmal in der Woche in sein Haus nach Grosseto, schaltete das alte Radio an (das gar nicht eingeschaltet zu sein brauchte, der operator mit seiner Medialität macht das) und brachte die »Toten« in Kontakt mit den Lebenden. Vor fünf Jahren habe ich ihn in Italien sogar angerufen, aber er sagte, die Treffen fänden nicht mehr statt. Baccis Kontakte sind Geschichte.

Paramahansaji meint am Ende seiner nächsten Bemerkung:

»Das Leben ist ein gigantischer Traum Gottes«, sagte der Meister. − »Wenn es nur ein Traum ist, warum sind Schmerzen dann so wirklich?« fragte ein Schüler. − »Rennt man mit seinem Traumkopf gegen eine Traumwand, so leidet man Traumschmerzen«, erwiderte Paramahansaji. »Ein Träumer durchschaut das Truggespinst des Traumes erst beim Aufwachen. Ähnlich erkennt auch der Mensch die trügerische Natur des kosmischen Schöpfungstraumes erst, wenn er in Gott erwacht.«

Traum und Trauma. Das Leben kann durchaus als Traum gedeutet werden, lehrte Brugh Joy einmal. Wer nun träumt, ist gar nicht so wichtig; doch dieses Gefühl, es mit Maya zu tun zu haben, mit flüchtiger  Substanz (Materie, die innen weitgehend leer ist), begleitet uns. Wir haben alles so eingerichtet, wie wir es sehen; es könnte aber auch anders sein. Kürzlich fand ich bei manipogo das zauberhafte Gedicht, das einer Ausgabe von Alice through the looking-glass beigegeben ist. Kinder kommen, um die Geschichte zu hören und träumen:

Children yet, the tale to hear,
Eager eye and willing ear,
Lovingly they nestle near. 

In a Wonderland they lie,
Dreaming as the days go by,
Dreaming as the summers die:

Ever drifting down the stream −
Lingering in the golden gleam −
Life, what is it but a dream?

Was ist das Leben mehr als ein Traum? Oder ein Spiel? Das ist schwierig, aber der Buddhismus meint das, wenn er uns von allen Anhaftungen befreit sehen will. Immer mehr Distanz zu den Dingen! sagte Jodorowsky. So könne man erst richtig genießen lernen, frei von Erdenschwere.

 

Illustration: Karl Heinz Renner

Ähnliche Beiträge:
Leben als Traum
Die Außenwelt der Innenwelt

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.