Vollgas mit Spaß

Zwei Nachrichten von Mitte Juli sagen alles. Man redet über die Klimakrise, aber die Deutschen fliegen so viel wie nie. Die billigen Flugtickets! Und Tempo 80 auf Bundesstraßen ist nicht durchsetzbar. Der Auto-Bürger wehrt sich dagegen. Obwohl das Menschenleben rettet. Aber: Mein Spaß geht vor. 

027Obwohl man alles besser weiß, will man an einem protzigen Lebensstil festhalten. Wenigstens einmal im Jahr auf die Malediven, zudem eine Städtereise: Barcelona, Wien oder Paris. Dem  Klimaproblem halten wir Wärmedämmung und elektrische Fahrzeuge entgegen, und irgendwann wird es auch einmal elektrisch betriebene Flugzeuge geben. Die Lösung schiebt man der Zukunft zu oder einer Katastrophe, die alle dazu zwingt, kürzer zu treten. Die privaten Haushalte schaden dem Klima, hier ist der Artikel dazu.

DSCN2201Dass nun, wie eine französische Ministerin vorgerechnet hat, 127 Menschen fröhlich ihr Viertel Roten trinken können, weil sie nicht auf der Straße gestorben sind, überzeugt die Autofahrer auch nicht. Nix mit christlicher Nächstenliebe. Frankreich kam mit Tempo 80 auf Landstraßen nicht durch, der Protest war enorm. Die Straße hier nach Staufen war vor einem Jahr mal mit 70 ausgezeichnet worden. Vier Wochen später waren die Schilder weg. Vermutung: shitstorm. Auch der Deutsche, besonders der Deutsche, will sportlich fahren. Wozu hat er sonst sein Auto gekauft?

Es ist nun nicht der Mensch, der so denkt, sondern es ist der weiße mittelalte Mann, der Finanzberater, Lehrer, Chefredakteur, Politiker, Manager in einem Dax-Konzern oder Behördenleiter ist und gerne seine obszön fette Limousine mit hundert über eine Landstraße brettern will, weil er das so will. Diese Leute waren in früheren Jahrhunderten Kirchenfürsten, Adelige und Kriegsherren und haben diese Zivilisation mit Gewalt und Geld an die Spitze der Welt gebracht. Andere weiße Männer sind vielleicht Bauarbeiter, Sachbearbeiter oder Behördenmitarbeiter und wollen ebenso mit dicken Autos, die nicht immer ganz bezahlt sind, protzen. Oder zwei Wochen Urlaub in der Karibik genießen.

Klar: Auch Inder und Afrikaner, Amerikaner und Australier sind von diesem Großmannsdünkel befallen; Frauen weniger. Das ist ein Vorurteil, das ich hege. Wäre es den Leuten ernst mit einer friedlichen Welt, in der man nicht gegen die Erde und den Mitmenschen zu Feld zieht, dann würden alle Flugreisen sofort gestoppt., dicke Autos würden saftig besteuert und Tempolimits gäbe es überall.

Als ob das schnell Fahren oder das in den Urlaub Fliegen ein verbrieftes Menschenrecht wäre! Früher waren sie Freiheitskämpfer, heute sind sie Freizeitkämpfer, die für ihr Recht auf motorisierte Mobilität eintreten, für die sie, nehme ich an, problemlos die Freiheit des Wortes opfern würden. So dekadent ist die Welt im wohlhabenden Westen geworden. Es wird geheuchelt und verlogen herumgequatscht zu alldem. Es ist ein falsches Leben. Adorno hatte Recht: Es gibt kein richtiges Leben im falschen.

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