Heiße Ritte

Was einem doch so in die Hände fällt! Manchmal treibt es einen an, darüber zu schreiben. In die Hände fiel mir heute (1. Oktober): das FIAT Giornale eines südbadischen Autohauses; die Kleinanzeigen-Zeitschrift Zypresse; der Roman Schmutzige Havanna-Trilogie von Pedro Juan Gutiérrez.  

26 BotschaftDas hat alles mit dem Verkaufen zu tun. Es werden Dinge angepriesen, und manch eine verkauft/vermietet sogar ihren Körper. Zwar hat diese Zivilisation nichts für den Geist übrig, aber dann bemüht sie sich doch, ein Märchenreich in Sprache zu errichten, in dem Klischees geäußert und Instinkte und Triebe bedient werden. Wer sich und die Objekte raffiniert anpreist, lügt natürlich und verkauft damit auch seine eigene Seele. Doch das ist nicht unser Problem.

Wer Fiat-Automobile verkauft, hat es gut: Damit geht auch ein Lebensstil einher, denn wer wollte nicht gern Italiener sein? (Zumindest war das früher so.) Ein Beispiel aus der Broschüre:

Sport ist eine der großen Leidenschaften Italiens – die Fans nennt man Tifosi. Aus jungen Athleten werden Helden für die Ewigkeit: ganz gleich, ob im Fußball, im Radsport, auf Skipisten oder Rennstrecken. Passione und Emozione sind der Antrieb der Tifosi.

Gleich Helden für die Ewigkeit! Und Emozione, na ja, emozioni müsste es heißen, denn es ist ja nicht nur eine. Hat ein Deutscher geschrieben. Dann kommen die Fahrzeuge, von denen ein 500-er Rockstar heißt, der andere Dolcevita.

Lassen Sie mit diesem Sondermodell der italienischen Stilikone als Cabrio oder Limousine den Glanz und die Eleganz einer der kultigsten Epochen aller Zeiten wiederaufleben und erleben Sie das»süße Leben« neu.

Nicht schlecht, vor allem Glanz und Eleganz. La dolce vita war ein Film von Federico Fellini aus dem Jahr 1961. Hier ein Auszug aus dem Film sowie der Trailer, dann wieder einer aus dem Fiat-Text.

Im Fiat Panda ROCKSTAR rocken Sie den Großstadtdschungel und teilen dabei Ihre Erlebnisse ganz leicht mit Ihren Freunden. Denn dank Waze Driver Assistant nutzen Sie unterwegs die weltweit größte communitybasierte Navigationsapp …

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Die Großstadt Havanna rockt Pedro Juan Gutiérrez in seiner Trilogie. Der Autor will seine Bücher verkaufen und hat sich auf immerwährenden heißen Sex spezialisiert. In seinem 411-Seiten-Buch, 2004 bei Goldmann erschienen, ist es einfach, glücklich zu sein:

Es war herrlich, so zu vögeln.

Der Satz steht auf Seite 223, aber auf jeder Seite steht so einer. Da steht noch mehr, es steht immer einer, es gibt Schwänze wie Stahlrohr, 30 Zentimeter lange Schwänze und überhaupt harte Schwänze und die, die sich auf sie freuen. Nach Carmen und Maria auf Seite 161 kommen noch viele, viele andere, und wir hören von allerlei Stellungen und Sexvarianten. Wer sich lesend aufgeilen will, ist da gut bedient, aber Havanna auf ein riesiges verschwitztes Bordell zu reduzieren, ist natürlich Unfug.

Doch dieser kaum verschleierte Monster-Porno muss irgendwie literarisch gerechtfertigt werden. Das geht so:

»Schmutzige Havanna-Trilogie« ist gespickt mit nackten Wahrheiten, ein schonungslos ehrliches Dokument einer Befreiung von allem bürgerlichen Dünkel und Ballast. In bunten Farben bschreibt Pedro Juan Gutiérrez ein anderes Kuba jenseits jeglicher Romantisierung.

Vor allem Befreiung. Eher wirkt das, was man beim Durchblättern so aufnimmt, wie ein dumpfes Gefangensein, aber mitunter hat es durchaus Glanz und Eleganz, doch die Realität ist vermutlich anders. Um das verlagsseitig zu verkaufen, braucht es eine gehörige Portion Chuzpe, die sich hinter der des Autors nicht verstecken muss.

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In der Zeitschrift Zypresse gibt es die Rubrik Begegnungen, und da treten uns die kubanischen Fantasien wieder entgegen: »Latina mit magischen Händen«, »Erotische Massage und mehr von temperamentvoller Latina m. Zauberhänden«. Sexy Blondine, süße Brünette, jemand (Hallo!) sucht »heißen erotischen Spaß m. netten Männern«, Xena, die Liebesmaus und Caroline, Mira und Kira …

Da stehen Telefonnummern, alles ganz konkret, und die Körper werden vermietet, Geld wechselt den Besitzer, ist halt Prostitution, das älteste Gewerbe der Welt. Die Texte wurden vermutlich von Männern geschrieben, und die Protagonistinnen werden meistenteils verschüchterte Mädels sein, die sich in jeden Job hineinstürzen, damit er bald vorüber sei. Vielleicht ist es aber auch anders, jedenfalls ist das konkret, ausmalen mag man sich da nichts, wie oft wird es peinlich sein, aber so ist die Welt, in der alles auf den Markt getrieben und verkauft wird.

 

Illustrationen:
oben Botschaft von Rolf Hannes;
unten: Frauen in Havanna, fotografiert 2010 von Carol M. Highsmith (Dank an Library of Congress, Wash. D. C.)

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