Miramar

Ich habe nun einen Roman beendet, den ich vor sechs Jahren angefangen hatte. Er heißt Die Marconi-Aura, und Auslöser dafür war das wunderschöne Santa Marinella bei Rom und mein Aufenthalt 2013 und 2014 im Hotel Miramare von Duilio Ferrucci. Nun fand ich den Roman Miramar von Nagib Mahfus über ein Hotel in Alexandria.  Musste ich gleich lesen.

DSCN4489Schön war’s im Miramare. Das heißt Meerblick, na ja, und vom Balkon des Zimmers 15 sah man es in der Ferne (rechts der Meerblick), und vom Bahnhof kamen die Durchsagen, die Züge aus und nach Rom ankündigten. Duilio, der 88-jährige Besitzer, machte mir immer einen guten Capuccio, und dann redeten wir. Ich schrieb später darüber noch den Beitrag Weltabkehr, die mich derzeit auch bewegt.

Duilio wollte eigentlich 105 Jahre alt werden, doch schon 2015 kam aus dem Hotel keine Antwort mehr. Ich fuhr trotzdem hin, bekam ein Zimmer, erfuhr aber, dass Duilio dement geworden und dann gestorben war. Auf dem Friedhof fand ich seine Grabstelle. Jetzt ging es auch darum, ihm den Roman zu widmen, in dem er natürlich — unter anderem Namen — vorkommt. Rudi spielt mit ihm immer eine Partie Schach. Ob das mal jemand lesen mag, weiß ich nicht; es geht um die Stimmen der Toten und ist ein Mysteriengemisch aus Kabbala, Gnosis, Islam und Buddhismus.

Aber nun zu Miramar. Mahfus veröffentlichte das Buch 1967. 20 Jahre später, 1988, bekam er den Literatur-Nobelpreis. Die Pension Miramar wird von der ehemals attraktiven Dame Mariana geleitet, und der alte Journalist Amir Wagdi quartiert sich da dauerhaft ein, drei andere Männer stoßen dazu, und in jedem Kapitel schildert jeder der Männer die Begebenheiten weniger Wochen im Herbst in dieser Pension in der Fünf-Millionen-Stadt Alexandria am Mittelmeer. Die Handlung rotiert um das hübsche Fellachen-Mädchen Zuchra, das als Zimmermädchen in dem Hotel arbeitet und in das alle männlichen Gäste verliebt sind. Sie ist auch verliebt: in Sarhan al-Buheri.

Mansur Bahi hält um ihre Hand an, auch Mahmud, der Zeitungshändler, hat Interesse, aber beide will Zuchra nicht. Ihr Auserwählter jedoch wird von eienr Prostituierten verfolgt, und er spekuliert auf die Ehe mit einer jungen Lehrerin, die ein Haus und Zukunftsperspektiven in die Ehe mitbringen würde, obgleich er auch Zuchra liebt und eine Menge Liebesschwürde absondert. So ganz versteht man das nicht. Es kommt einem schizophren vor. Wagdi, der »Methusalem der Journalistik«, rät Zuchra sogar, in ihr Dorf zurückzugehen. Am Ende geht sie auch weg, und Trauer legt sich übers Miramar.

Wichtig für das Buch ist die Sure 55 des Koran, der Allerbarmer, in dem es viel um die Dschinns geht, aber auch um die Schöpfung und die zu erwartenden Wohltaten im Paradies, und 31 der 78 Sätze bestehen aus der rhetorischen Frage: Und welche Segnungen des Herrn willst du denn zurückweisen?  Ist nicht alles wunderbar geordnet?

Amir Wagdi flüstert Zuchra zu, ihre Zeit sei nicht vergebens gewesen; wer wisse, wer nicht für ihn tauge, wisse schon etwas mehr. Dann liest der alte Journalist in der Sure 55, und aus ihr sind die letzten Sätze: Ihr Menschen und ihr Genien! (in der Übersetzung Rückerts vor 200 Jahren; gemeint sind die Dschinns) Welche Gnade Eures Herrn wollte ihr verkennen?  (auch dies von Rückert, deshalb etwas antiquiert klingend) Nehmt alles an vom Herrn, er meint es gut mit euch. Wie gut, werdet ihr später erkennen.

 

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