Die kleine Königin

Das Fahrrad hieß in Frankreich lange »la petite reine«, die kleine Königin. Ich habe gerade mein Radsportbuch von 2006 aktualisiert und erweitert, das war viel Arbeit. Da merkt man wieder, dass die Radprofis bloß fahren. Was sie unterm Hintern haben, ist ihnen eigentlich egal. In den tausend Episoden von den Rennen rasen die Stars, reißen aus, klettern oder fahren höllisch ab, doch ich habe kein Zitat gefunden, wo ein Profi sagt: »Wie toll doch mein Rad lief! Ich liebe es.« Darum heute als Bebilderung schöne Räder, am Straßenrand gesehen.

Der englische Radsportjournalist Chris Woods hat mit Bikie 2001 ein exquisites Fahrradbuch geschrieben, das sprachlich und gedanklich einsame Höhen erklimmt. Engländer sind Pioniere. In der Frühzeit des Sports, von 1868 bis 1891, gewannen englische Sportler, was es zu gewinnen gab. Doch im 20. Jahrhundert hatten sie gegen Italiener und Franzosen nichts mehr zu bestellen. Aber sie hatten immer ihren Geist, ihre Melancholie, ihre Selbstironie.

Ein „Tarnrad“, gesehen in Spanien

Morgen kommt auf manipogo ein Beitrag über Anthony Burgess, und überhaupt liebe ich englische Literatur, etwa die Bücher von Graham Greene, Somerset Maugham, Thomas Hardy. Warum? Es sind oft ruhige Bücher, mit Abstand und Überlegung geschrieben, und die Erzähler sind selber etwas ohnmächtig, was sie durch Humor, Zynismus und auch Trauer wettmachen, die vor der Folie der Fülle des Lebens erst seinen Zauber gewinnt.  

Eine rote Schönheit mit weißen Punkten

Charlie Woods schreibt: »Wir lieben Fahrräder, weil sie die physische Verkörperung des Vergnügens sind, das wir ihnen abgewinnen. Sie wirken auf uns als Symbol und als Mittel der Erfüllung; wir beten sie an, wollen sie aber auch besitzen. Die Liebe, die sie uns einflößen, ist sowohl körperlich wie auch spirituell und ähnlich der, die wir für die Angehörigen des anderen Geschlechts empfinden. Ich kenne Leute, die sich jede dritte Saison eine Mistress aus Metall zulegen und andere, die einen wahren Harem in der Garage unterhalten.« Das ist natürlich machohaft, aber auch Frauen dürfen sich einen Fahrrad-Harem zulegen, wer hätte etwas dagegen?

Die weiße Königin

 An anderer Stelle erläutert Woods: »Wissenschaftliche Studien besagen, dass eine rhythmische Übung wie das Radfahren die Alpha-Wellen im Gehirn anregt, der der Wirkung einer Meditation entspricht. Im Sattel werden alle begeisterten Radfahrer unwillkürlich Mystiker. Die Liebe, die wir für dem Radfahren entgegenbringen, ist ein Vorgeschmack des reinen überquellenden Lebens, das am Ende der mystischen Suche steht.« 

Blumenkind

Das kann man nicht schöner sagen. Man sieht ein Rad und will aufsteigen, will es besitzen. Ich habe mittlerweile sieben Räder, das ist mein Harem: mein erstes »Raleigh«-Rennrad von 1990, den weißen »Wilier-Triestina«-Renner aus Karbon von 2008; zwei Tourenräder (Specialized, 1994; Maxx, 1999); ein altes Bäuerinnen-Rad von 1940, ein Staiger von 1984 sowie eine »Stella Veneta« von ungefähr 1957.   

Das Strickrad

Bald wird ein achtes hinzukommen, denn ich habe bei einem Geschichten-Wettbewerb der Firma Ortlieb ein Liegerad gewonnen, das mir am 25. Januar am Sitz des Unternehmens in Heilsbronn bei Nürnberg überreicht werden wird. Dann kann man mich ab dem Frühjahr liegend durch die Lande fahren sehen, mit dem Feder-Helm: der Medizinmann, ganz entspannt.   

Dieser Eintrag wurde am Samstag, den 15. Dezember 2012 um 00:57 Uhr erstellt und ist in der Kategorie Fahrrad zu finden. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

Ein Kommentar zu “Die kleine Königin”

  1. Rolf Hannes

    Lieber Manfred, kennst Du Henry Millers Loblieder aufs Fahrrad und seine Freunde.
    Besorg sie Dir mal, du wirst hellauf begeistert sein.

    Tschüßchen sali und servus Rolf