Die Anderen

Die Hölle, das sind die Anderen, soll Sartre gesagt haben. Sie sind aber auch der Himmel, die Anderen. Es reicht aber auch ein Anderer oder eine Andere, denn: Das Ich entsteht am Du (Freud). Dieses Du ist dann deine Welt. »Ein einziges Wesen fehlt, und die Welt wirkt wie entvölkert.« (Grabstein in Paris.) No man’s an island. All diese Sprüche. Die Anderen sind da wie die Luft, du mischst dich unter sie und vermischst dich mit ihnen, sie lächeln dir zu und ermutige dich. Wir brauchen sie.

DSCN1049Ich kenne ja die Gedanken meines Nachbarn nicht. Ach, er war immer ein so netter, wohlerzogener junger Mann (und dann erstach er seine Freundin oder erschoss fünf Kurden). Obwohl er wie ich aufgewachsen war und auch unseren westlichen Wertekanon in sich hatte. Ich kann nicht in jemanden reinschauen. Dann erst die noch die andersartigeren Anderen, die Migranten, mit anderer Kleidungen, anderen Gebräuchen und Wertevorstellungen! Denoch leben wir zusammen, und es funktioniert auch. Alle sind wir Menschen mit ähnlich gelagerten Bedürfnissen und ähnlichen Körpern, die gleichartig funktionieren. Auch mit ähnlichen Seelen.

DSCN1046Manchmal fangen wir Gedanken von anderen auf. Telepathie gibt es. Medien spüren das Unwohlsein eines Klienten am eigenen Körper.In einer berühmten wahren Episode fühlte eine Ehefrau einen Schlag an den Kopf, als ihr Ehemann tausende Meilen entfernt ein Holzstück an den Kopf kriegte. Unter Blutsverwandten passiert so etwas häufiger. Wahrscheinlich spürt ein Zwilling, wenn es dem anderen Zwilling schlecht geht.

Kürzlich auf dem youtube-Kanal Empirische Jenseitsforschung die Erzählung einer jungen Frau gesehen. Bei ihrer Nahtoderfahrung erlebte sie einen Lebensrückblick und sah, wie ihr Vater sie als Kind begrüßte, und sie fühlte seine Freude (und hatte immer gedacht, ihr Vater hätte sie nicht geliebt). Robert Bare, der nach einem Herzinfarkt 45 Minuten tot war, erfuhr in vielen Szenen seines Lebens, wie sich die anderen gefühlt hatten, mit denen er es zu tun gehabt hatte; er fühlte ihre Gefühle mit. Das ist total verrückt. Nicht nur ist unser ganzes Leben registriert wie auf DVD (in uns drin), aber wir erfahren auch die Wirkung unserer Taten auf andere. Auf einer Ebene sind wir mit anderen verschränkt wie Elektronen in einem Versuch, und die Schranken fallen weg, die die Gefühle anderer uns vorenthalten. Darüber sollten wir nachdenken.

 

Illustration: Die Türen im Giger-Museum in der Schweiz, Gruyères

 

 

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