Bis ich nichts mehr wusste

Franz Werfel mutet uns einiges zu: Hunderttausend Jahre in der Zukunft liegt die Welt, in die er reist und davon in dem Buch Stern der Ungeborenen berichtet. Er schreibt, das sei alles wahr, und das schreiben einige Romanschriftsteller, doch ihm, dem Werfel, wollen wir glauben, weil er sonst nur realistische Bücher geschrieben hat. Werden ihn wohl die Engel mitgenommen haben in die Zukunft wie den guten Swedenborg ins Jenseits.

dreams6Werfel gibt auf der ersten Seite an, der Erzähler sei er selbst (er nennt ihn F. W.) und schreibt auf der zweiten Seite: »Was ich erlebte, habe ich wirklich erlebt.« Er sei als Forschungsreisender losgesandt worden eines Nachts. Wir von manipogo, die wir Bescheid wissen über Astralreisen, halten es für möglich und glauben ihm. Er schreibt ferner, er habe sich als wiederbelebter »Toter« gefühlt, der 1943 aus Südkalifornien in die Zukunft geschickt worden sei. Der 1890 in Prag zur Welt gekommene Werfel hatte von Frankreich aus auf einer abenteuerlichen Flucht über die Pyrenäen, Spanien und Portugal Amerika erreicht. Als er in Lourdes festhing, tat er das Gelübde, würde er entkommen können, würde er über Bernadette Soubirous schreiben. Das hat er getan: ein integrer Autor.

Nach 710 Seiten und wilden Verwicklungen soll der Reisende zurückgeschickt werden. Er willigt ein und geht auf einen kleinen Jungen zu, den Sternentänzer, der vielleicht sein Nachkomme ist.

DSCN4760Mein ganzes Leben aber war eine leichte, luftige, durchleuchtete Freudigkeit, deren man ohne Tränen nicht gedenken kann. Jetzt war ich dem Lächeln des Sternentänzers schon ganz nahe. Er betrog alle, denn ich sah zwischen den halbgeöffneten Lidern seinen verschmitzten Blick. Und in diesen Blick schritt ich hinein, bis ich nichts mehr wusste. 

Damit hatte Franz Werfel sein monumentales Werk beendet, das er bereits zwei Jahre vorher begonnen hatte. In jenem Jahr 1943 erlitt er zwei Herzanfälle, der mögliche Tod war ihm vertraut. Diese letzten Zeilen muss er am 24. August aufs Papier gebracht haben, und zwei Tage später starb er, vor nunmehr 75 Jahren. Werfels Gebeine wurden in Los Angeles bestattet und 1975 auf den Wiener Zentralfriedhof umgebettet.

Lassen wir das so stehen und beschäftigen wir uns später mit dem Stern der Ungeborenen.

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