Dämonen auf dem Fensterbrett

Ich ging meinen Strand ab mit dem Blick auf den Boden gerichtet, um Plastikflaschen und ebensolche Verschlüsse aufzuheben und in den gelben Sack zu packen, und manchmal fielen mir seltsam geformte Hölzer auf: Strandgut, zersplittert und vernarbt. Die Hölzer hatten manchmal Augen und sahen wie Tiere aus, und ich dachte mir: Daraus machst du was.

Dann nahm ich die Objekte ins Pfegeheim mit und bemalte sie. Es reichen zwei Kleckse Deckweiß und zwei schwarze Punkte als Pupille, und schon ist das ein Lebewesen. Ich malte, meine Leute sahen mir fasziniert zu. Die geglücktesten Werke postierte ich im Eingangsbereich auf den Fensterbänken.

SDC10356

Im Mittelalter setzte man Dämonen an die Fassaden, oft weit oben, etwa als Wasserspeier, zu sehen bei Notre Dame de Paris und auch am Freiburger Münster. In dem Buch Dämonen und Monstren von Herbert Schade lesen wir: »So beobachten wir sie vor allem in der Sockelzone, auf den Gesimsen und Dachgrändern und Fensterbänken. Die eigentliche Heimat der Monstren aber sind die Kapitelle« — also der höchste Punkt von Säulen.

SDC10358

Das Buch erschien im katholischen Regensburg, und der Autor steht auf dem Boden der christlichen Lehre. So richtig gelingt es ihm nicht zu erklären, waum man Dämonen abbildete. Immerhin erwähnt er das Adjektiv apotropäisch, das abwehrend bedeutet. Ein furchterregender Dämon aus Stein soll die bösen Geister einschüchtern, damit sie den Kirchen fernbleiben. Er ist ein Apotropaion (griechisch).

SDC10359

Wera von Blankenburg hat die Tiersymbolik im Mittelalter aufgeschlüsselt, und sie schreibt:

Der Fisch ist der Tod, wie im Buche Jonas geschrieben steht: Gott bereitete einen großen Fisch, damit er Jonas verschlingen sollte; das ließ Gott zu, um anzuzeigen, dass der grausame Tod Christus anfallen würde. Der Fisch ist aber auch der Teufel, denn es steht bei Tobias: Es ging ein gewaltiger Fisch aus, ihn zu verschlingen. Was besagt, dass der Teufel herumgeht und sucht, wen er verschlingen könnte.

 

SDC10357

Zum Schluss sehen wir oben eine Kette von Steinen, und irgendjemand hat einmal damit angefangen. In Grißheim hier in der Nähe gibt es eine hübsche Kette auf einer Mauer, und außerhalb von Steinenstadt war eine solche, an den Straßenrand gelegt, 200 Meter lang, und jeder, der will, solle neue bunte Steinchen daranlegen, als Manifestation und Zeichen dafür, dass wir noch aktiv sind, während sie uns verboten, uns mit unseren Freunden zu treffen.

 

 

 

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.