Balinesenfrauen

Vor einer Woche waren wir zufällig bei Indonesien gelandet, und solch ein Thema macht sich dann selbstständig und bietet sich selber an. Ich entdeckte ein kritisches Gedicht von Theodor Fontane (1818-1889) über die Niederländer auf Bali, doch zuvor muss kurz die Kolonialgeschichte des Staates mit seinen 17.508 Inseln vorgestellt werden. Das liest man auf Wikipedia, wo sonst? Gut, dass es das gibt.

Von den 17.508 Inseln sind nur 6000 bewohnt. Da könnte man sich seine private Insel zulegen, aber vermutlich ohne Elektrizität und Wasser. Das ist eigentlich schon ein kolonialer Gedanke. Große europäische Länder streckten ab dem 15. Jahrhundert ihre Hände nach Überseegebieten aus. Die ganze Vorgeschichte des Archipels zu überspringen, ist nun nicht elegant, doch wer will, kann ja den Wikipedia-Artikel studieren.

3c03022rDer Portugiese Vasco da Gama entdeckte 1497 Indien und düpierte Columbus, der fünf Jahre zuvor einen anderen Kontinent entdeckt hatte und dessen Ureinwohner Indianer nannte. Alfonso de Albuquerque eroberte 1511 das Sultanat von Malakka, und 1529 teilten Portugiesen und Spanier ihre Gebiete untereinander auf. 1596 trafen die ersten holländischen Seeleute ein, und die Portugiesen wurden verdrängt. (Illustration: Familie auf Java, fotografiert 1902 von Carleton H. Graves, Dank an Library of Congress, Wash. D.C.)

200 Jahre lang herrschte die Niederländische Ostindien-Kompanie über die indonesischen Gebiete. Sie war ziemlich korrupt und zwang die Bauern, 66 Tage im Jahr für sie zu arbeiten (oder ein Fünftel der Ernte abzuliefern). In Holland gab die Kompanie Aktien aus, das war ein Novum.

1621 wollte der niederländische Gouverneur von Batavia ein Muskat-Monopol auf den Banda-Inseln errichten. Die Bevölkerung wehrte sich und wurde niedergemacht. 15.000 Menschen fielen der Schlächterei zum Opfer. Da ist nun die Gelegenheit, das Fontane-Gedicht einzubauen:

Die Balinesenfrauen auf Lombok

Unerhört,
Auf Lombok hat man sich empört,
Auf der Insel Lombok die Balinesen
Sind mit Mynheer unzufrieden gewesen.

Und die Mynheers faßt ein Zürnen und Schaudern,
»Aus mit dem Brand, ohne Zögern und Zaudern«,
Und allerlei Volk, verkracht, verdorben,
Wird von Mynheer angeworben,
Allerlei Leute mit Mausergewehren
Sollen die Balinesen bekehren,
Vorwärts, ohne Sinn und Plan,
Aber auch planlos wird es gethan,
Hinterlader arbeitete gut,
Und die Männer liegen in ihrem Blut.

Die Männer. Aber groß anzuschaun
Sind da noch sechzig stolze Fraun,
All’ eingeschlossen zu Wehr und Trutz
In eines Buddha-Tempels Schutz.
Reichgekleidet, goldgeschmückt,
Ihr jüngstes Kind an die Brust gedrückt,
Hochaufgericht’t eine jede stand,
Den Feind im Auge, den Dolch in der Hand.

Die Kugeln durchschlagen Trepp’ und Dach,
»Wozu hier noch warten, feig und schwach?«
Und die Thüren auf und hinab ins Thal,
Hoch ihr Kind und hoch den Stahl
(Am Griffe funkelt der Edelstein)
So stürzen sie sich in des Feindes Reihn.
Die Hälfte fällt todt, die Hälfte fällt wund,
Aber jede will sterben zu dieser Stund,
Und die Letzten, in stolzer Todeslust,
Stoßen den Dolch sich in die Brust.

Mynheer derweilen, in seinem Kontor,
Malt sich christlich Kulturelles vor.

 

Es war nicht das einzige Massaker der Kolonialmächte. Im Kongo wüteten die Belgier, in Algerien die Franzosen, die Engländer in Rhodesien, die Deutschen in Südwest-Afrika, die amerikanischen Siedler im Westen der späteren Staaten.

Zwischen 1825 und 1830 starben 200.000 Javaner bei einem Aufstand egen die niederländische Herrschaft. 1908 waren die Niederländer Herren über ganz Indonesien. Im Zweiten Weltkrieg jedoch, 1942, wurden sie von den Japanern vertrieben (Laurens van der Post hat das miterlebt), und 1943 erklärte sich Indonesien für unabhängig.

 

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