Der Wundermann vom Bodensee

Es gibt kleine Bücher, solide recherchiert und fein geschrieben, die man lesen kann, ohne sich übermäßig anzustrengen. Und man genießt es und lernt dabei. So ein Buch ist Der Wundermann vom Bodensee (1956) von Anton Gabele (1890-1966) über das Leben von Franz Anton Mesmer (1734-1815), den man nicht genug schätzen kann, weil er den Grundstein für die Hypnose und die Erforschung veränderter Bewusstseinszustände legte. 

WolkenFranz Anton Mesmer hatte ich an seinem 201. Todestag vorgestellt. Er kam in Iznang am Bodensee zur Welt, schrieb eine Dissertation über den Einfluss der Planeten auf den Menschen, wirkte in Wien und, als Intrigen und Gerüchte ihn von dort vertrieben, in Paris, wo er gefeiert wurde. In den Revolutionswirren musste er fliehen und ließ sich im Thurgau und schließlich in Meersburg am Bodensee nieder. Er heilte auch dort Kranke bis zu seinem Tod. Doch sein Lebensziel — die Menschheit von einem Fluidum zu überzeugen, das zwischen ihnen schwebt, einer Art Lebenskraft — erreichte er nicht, was ihn verbitterte. Sein Leben ist im Wundermann schön erzählt: Wie Mesmer früh Mozart trifft und später Justinus Kerner. Vielleicht war er wirklich in Mitteleuropa der größte Arzt seit Paracelsus.

1106rIn der neuen Ausgabe von Scienza e Cultura nel Mondo erinnert Giulio Caratelli an einen, der Mesmers Gedanke weiterbrachte: an Jean-Philippe François Deleuze (1753-1835). Er verhalf dem Mesmerschen Fluidum nach der Französischen Revolution zu Blüte: noch eine schöne Weile lang. Damals gab es die Fluidisten, die an einen unsichtbaren Stoff glaubten, und auf der anderen Seite die Animisten, die hypnotische Wirkungen für solche der Einbildungskraft hielten. Auch der Marquis von Puységur (A. M.-J. de Chastenet, 1751-1825) rief den Somnambulismus hervor, diesen schlafähnlichen Zustand, den Mesmer animalischer Magnetismus getauft hatte, weil seiner Meinung nach der Magnetiseur in die Kranke etwas hineingibt, weil eine Anziehung entsteht. (Illustration: Ein Werk von W. J. Fielding zum Stück A Grip of Steel, 1899; courtesy by Library of Congress, Wash. D. C.)

James Braid, der die Hypnose praktisch einsetzte (bei Operationen) glaubte nicht an ein Fluidum. Doch er brachte die Hypnose ins medizinische Milieu hinein, und später, bis zum Zweiten Weltkrieg, erforschten vornehmlich in Paris Ärzte wie Pierre Janet, Charles Richet und Jean-Martin Charcot das Phänomen der Hysterie und der Lenkbarkeit vor allem an Frauen. Da entstand großartiges Material, das aber mit dem Tod der Ärzte in Schubladen verschwand. Der Gedanke der Lebenskraft ist am ehesten noch in der traditionellen chinesischen Medizin zu finden, die vom chi spricht, der Lebensenergie, die fließen müsse und sich an bestimmten Punkten, den Akupunkturpunkten, zeige.

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.