Geboren am 4. März

Vor einem Jahr ist Lucio Dalla in Montreux gestorben, kurz vor seinem 69. Geburtstag. Am Abend vorher war er dort aufgetreten und noch einen Abend zuvor in Zürich. Nato il 4 marzo war eines der populärsten Titel des Cantautore aus Bologna, und am 4. März 2012 wurde er zu Grabe getragen. Ich hatte ihn durch Giovanna kennengelernt, und sie kommentierte: »Was willst du? Hat ein schönes Leben gehabt und einen schönen Tod, nach einem tollen Konzert.« Ein Herzinfarkt streckte ihn nieder.

Ich war gerade mit dem Rad und Gepäck in meinem Etappenort Huesca im Bergland Südspaniens eingetroffen und wollte in meinem Mini-Hotelzimmer zum Preis von 22 Euro gerade auspacken, da läutete das Handy. »Hast du gehört?«, fragte Giovanna. »Dalla ist gestorben.« Ganz schön traurig. Immer mal wieder hat ihn der Tod interessiert. 1988 auf Dalla Morandi sang er die Ballade Che cosa resterà di me von Franco Battiato: »Was wird wohl von mir bleiben? Von meinem irdischen Transit? Von all den Eindrücken, die ich in diesem Leben hatte?« 

Bei dem Song Trapiantoperso, zu finden auf Ciao (1999), einem ganz wunderbaren Album, ist der Text von ihm, Worte voll Anmut und Humor. »Ich, wenn ich sterbe, will in den Himmel kommen, / wo ich alles vorfinde und für nichts zahlen muss, / aber ich weiß nicht, ob ich ein guter Mensch war, / das muss man die Leute fragen. / Und was dann wohl der Heilige Petrus fragt, / wenn er mich sieht und hereinholt, / aber an Gott glaube ich …« (Illustration: Zeichung von mir nach Foto aus dem Ciao-Album.)

»Hey Doktor«, singt er, »warte noch eine Minute, hat jemand vielleicht ein Telefon? / Denn ich muss nochmal einen Gruß anbringen, / meinem Herz Abschied sagen, das ich noch drinnen habe.« Und dann … »Aber jetzt bin ich etwas verwirrt / nur Gedanken, man spürt nichts, / ich sehe da hinten nur großes Dunkel, / hat jemand vielleicht den Strom abgestellt? / Man wandert auf den Wellen des Meeres, / was für Lichter …  Und da mitten in den Leuten / kommst endlich du, / so langsam, dass / es nicht nach dir ausschaut, / so lächelnd, / ciao, wie spät ist es?«

Dalla hat nie offen über seine Homosexualität gesprochen, und in Fernsehen wand sich ein Bischof sichtlich, als die Rede darauf kam, und beim Trauerzug, den in Bologna 50000 Menschen verfolgten, bezeichnete man seinen jungen Partner, der vielleicht Dallas Tod miterlebte, als »Adoptivsohn«, eine jener absurden Sachen, die ihm Spaß gemacht hätten. Eine Stiftung wurde gegründet, doch der »Adoptivsohn« durfte nicht dabeisein, so unnett sind eben Verwandte und Erben, doch immerhin haben sie 3500 Menschen die Möglichkeit gegeben, zum vergangenen Jahreswechsel Lucio Dallas Haus in Bologna zu besichtigen.

Ja, wunderschön dieses Ciao, das ich immer wieder durchhöre. ist göttlich, mit einem pathetischen Refrain, denn Dalla hatte keine Angst vor großen Gefühlen und Melodien. Er wandert am Meer entlang, will sich verlieren: »confondermi e perdermi / sotto quel cielo e a tutte le stelle … su una stella luminosa«, und er will sie/ihn verteidigen, auch vor sich selbst, und »vergib mir, wenn ich nicht so bin, wie du mich gerne hättest, perdonami, perdonami …« Weit weg sein will er von allem, »auf einem leuchtenden Stern, nicht da sein, nicht mal geboren, ein Punkt bloß, den kleinsten, den es geben kann«. (Illustration: Zeichnung nach einem Motiv im Album Dalla Morandi)

Sein erstes Album von 1966 hieß 1999, und auch auf Ciao gibt es das Stück 1999, und ein typischer Dalla-Passus, der Refrain, lautet so: »Cosa farò, non lo so, cosa dirò, niente, niente, niente.« So schön. Kennen wir alle. Was ich tun werde, weiß ich nicht, was ich sagen werde: nichts, nichts, nichts.  

Dann fuhr ich mit dem Auto in Richtung Kloten, und auf einer alten Live-Aufnahme fing gerade das großartige Washington an mit diesem schleppenden Bass, entspannt und voller Spannung zugleich, und eine Maschine schwebte vor mir nieder, glitt auf der Horizontlinie entlang, und Lucio Dalla sang »Sto andando a Washington, / ma cosa vuoi da fare, non lo so …« Schon wieder: Ich fliege nach Washington, aber was ich da anfangen soll, keine Ahnung.  

Auf Youtube gehen, unbedingt anhören. Lucio Galla hat Musik und Worte für uns gefunden, die wir Helden sein wollen und dann doch ganz normal versagen, aber man merkt, wie er das Leben und uns Sterbliche geliebt hat, und wir lieben ihn.         

 

Ein Kommentar zu “Geboren am 4. März”

  1. Regina

    schööön! ciao Regina