Kleingläubige (2)

Vor 14 Tagen habe ich dargestellt, was die katholische Kirche so zum Geburtstag eines alten Menschen anbietet. Nun kommt die evangelische Version. Statt es mit herzlichen Wünschen gut sein zu lassen, unterbreitet man den Jubilaren die Betrachtung eines Bischofs aus Berlin. Der Text auf dem Blatt, das dem Geburtstagsbrief beiliegt, ist so klein gedruckt, dass kein alter Mensch das lesen kann. Kein Verlust, sagt manipogo.

DSCN4725Auch bei den Potestanten gibt man sich verhalten, um niemanden durch Maximalforderungen zu verprellen. Die Betrachtung richtet sich auf die Jahreslosung 2020, einen Spruch im Markus-Evangelium (Ich glaube, hilf meinem Unglauben), und Bischof Sigurd Immanuel Rink meint:

Das Gute, das Befreiende des christlichen Glaubens ist ja gerade, dass er keine Leistung darstellt. Ich muss im Glauben nicht perfekt sein. Ich muss mich in meinem religiösen Bewusstsein nicht ständig auf größter Höhe bewegen. Es genügt, wenn da ein Anfang ist. Alles andere wäre letzlich trostlos. Glaube, der mehr sein müsste als unvollkommener Anfang, könnte nur in Quälerei und Verzweiflung enden.

maid021Alles easy, Leute! Glaubt so, wie ihr eine Tour mit dem E-Bike macht. Nicht zu viel Anstrengung, bequem muss es bleiben. Die Protestanten erkennen ja keine Heiligen an, aber ist es eine Religion, so sollte sie auch Perfektion verlangen, höchsten Einsatz — predigen das nicht sogar Coaches und Unternehmensberater? Ohne Einsatz kein Gewinn. Diejenigen, die alles gaben, die sich quälten und der Verzweiflung anheimgaben, wurden (bei den Katholiken) heiliggesprochen. Man ist also bei den Protestanten schon mit einem kleinen Anfang zufrieden. Ein kleiner Anfang.

Mehr erwartet Gott von keinem Menschen, als dass er Gott die Hilfe zutraut. Es braucht kein demonstratives Sich-Bekehren vor vielen Zeugen. Es bracht erst recht kein religiöses Besserwissertum. Nur dies eine tut Not: In einer kleinen Ecke des Herzens Gott das Gute zutrauen. Ihn nicht ganz vom Leben aussperren. Offen sen für ihn, der so oft schon geholfen hat.

Gott ist das Gute. Ihm irgendwo in einer Ecke des Herzens das Gute zutrauen zu sollen, das klingt kläglich, lauwarm und defensiv. Die Evangelen sind also auch beim kleinsten gemeinsamen Nenner angelangt. Aber freuen wir uns, dass es mit der Macht der christlichen Kirchen, die Jahrhunderte Unheil gesät hat, vorbei ist. Was wir hören, sind Epiloge.

 

Illustrationen: Oben rechts der Dom von Breisach; darunter (links) eine schöne junge Büßerin, ausgestellt in Palermo.

 

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