In höheren Sphären

Das Matterhorn und Zermatt: Das muss uns zum Alpinismus führen, der richtig erst Mitte des 19. Jahrhunderts erblühte, zusammen mit der Industrialisierung, dem Individualismus und dem Inangriffnehmen der Grenzen, die der Mensch vor sich hatte. Die Erstbesteigung des Matterhorn wird erwähnt, die tragisch ausging, was aber keinen Alpinisten abschreckte.

Die Faszination der Berge. Viele Reisen in die Alpen erzeugten bei manchen, wie Mark Twain (wiederum in Bummel durch Europa) schrieb, eine

IMG_3834Sehnsucht, die dem Heimweh gleicht; ein schmerzhaftes, hartnäckiges Sehnen, das bittet, fleht und verfolgt, bis es seinen Willen bekommt. Ich habe Dutzende von Leuten kennengelernt, phantasiereiche und phantasiearme, gebildete und ungebildete, die aus fernen Ländern gekommen waren und Jahr für Jahr die schweizerischen Alpen durchstreiften — sie konnten nicht erklären, warum. Zuerst seien sie aus müßiger Neugier gekommen, sagten sie, weil alle davon gesprochen hätten; seither seien sie gekommen, weil sie nicht anders könnten … Anderen gelang es eher, auszudrücken, was sie empfanden; sie sagten, nirgendwo anders könnten sie vollkommene Ruhe und Frieden finden, wenn sie bekümmert wären; alle Verdrießlichkeiten und Sorgen und aller Zorn versiegten in Gegenwart der wohlwollenden Gelassenheit der Alpen; der große Geist der Berge hauchte seinen eigenen Frieden in ihre verletzten Seelen und wunden Herzen und heile sie; hier, vor dem sichtbaren Throne Gottes, könnten sie keine niedrigen Gedanken denken oder schlecht und gemein handeln.

SDC10412SDC10416Es gibt indessen nicht nur edle Gemüter und sanfte Naturen. Es gibt Ehrgeizige und Ruhmsüchtige und Geldgierige, und junge Leute zumal wollen sich auszeichnen. Der Londoner Edward Whymper war 21, als ihn der Triumph am Matterhorn ein Ziel schien, und mit 25 Jahren, am 13. Juli 1865, brach er mit sieben Kameraden zum Berg auf. Der jüngste Sohn der Taugwalders (Vater und Sohn) ging zurück; die restlichen sieben standen am 14. Juli um 13.40 Uhr auf dem Gipfel, eine Stunde lang. (Illustrationen: Die Erinnerungstafel für Whymper, eingelassen in den Boden vor dem Hotel. Für die Taugwalders gibt es ihn auch, nicht aber für die 4 anderen. Sie waren auch oben! Die erste Frau stand schon 1871, sechs Jahre später, auf dem Gipfel des Matterhorns, und ihr Name passt: Lucy Walker. Sie wurde 81.)  

Dann: der Abstieg. Whymper macht den Vorschlag, ein zusätzliches Seil zu befestigen, wenn sie an eine schwierige Stelle kämen, doch man überging den Einwurf. Michel Croz half dem unerfahrenen Hadow, setzte ihm die Füße an die richtige Position, drehte sich um (Whymper sah es nicht richtig) und wollte dann ein oder zwei Schritte hinabsteigen.

Mark Twain zitiert aus Whympers Buch:

In diesem Augenblick glitt Mr Hadow aus, fiel gegen ihn und warf ihn um. Ich hörte einen erschrockenen Ruf von Croz, dann sah ich ihn und Mr Hadow abwärts fliegen; im nächsten Augenblick wurde Hudson aus seinen Trittstufen gerissen und unmittelbar nach ihm Lord Douglas. All das war das Werk eines Augenblicks. Sobald wir Croz‘ Ausruf hörten, stemmten der alte Peter und ich uns so fest, wie es die Felsen zuließen; das Seil zwischen uns war straff gespannt, und der Ruck zerrte an uns wie an einem Mann. Wir hielten stand, aber das Seil riss in der Mitte zwischen Taugwalder und Lord Francis Douglas. Ein paar Sekunden lang sahen wir noch unsere unglücklichen Gefährten auf dem Rücken abwärtsgleiten und die Arme ausbreiten, um einen Halt zu finden. Sie kamen uns unverletzt aus den Augen, verschwanden nacheinander und fielen von Abgrund zu Abgrund fast 4000 Fuß tief auf den Matterhorngletscher. Von dem Augenblick, als das Seil riss, war es unmöglich, ihnen zu helfen. So kamen unsere Kameraden um!

SDC10411Im Hotel Monte Rosa am Kirchplatz hatte Whymper Quartier genommen. Die Taugwalders lebten im Haus nebenan. Um halb sechs am 13. Juli 1865 brachen sie auf. Es war Whympers neunter Versuch, und eine Gruppe von Italienern näherte sich dem Berg von einer anderen Seite. Eile war geboten. Zwei Fußminuten von dem Hotel in Richtung Fluß (die Vispa), an der katholischen Kirche vorbei, liegt der Zermatter Bergsteigerfriedhof. Viele junge Menschen fanden hier ihre letzte Ruhestätte.

Als Epilog zwei Bilder. Freda Curren ging mit 24 Jahren »in das bessere Leben ein«; Douglas Stephen Williams aus New York starb mit 17 am Breithorn. Klettern war sein Leben (I Chose to Climb). Er war ein Jahr jünger als ich.

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