A propos: fallen

Zum Fall vom Everest fiel mir etwas noch ein und auf. Irgendwann erlernte der Mensch den aufrechten Gang. Die ältesten Fussspuren stammen vom Australopithecus, einem Vorfahren des Homo sapiens, und sind 3,6 Millionen Jahre alt. Wer aufrecht geht, kann Feinde und Tiere früher sehen. Aber wer weit blickt, sieht vielleicht die Wurzel vor den Füßen nicht und fällt darüber. Das ist der Nachteil des aufrechten Gangs.

Gerade alte Menschen, die nicht mehr sicher auf den Beinen sind, stürzen. Was gibt es nicht für Stolperfallen überall, und dann ist die ganze Umgebung immer kantig und eckig. Keine Tepppiche gibt es, auf die man weich fällt: Sind ja so unhygienisch! Tische sind eckig, und was erst in Badezimmern an Spitzen und Kanten lauert! So ist unsere Welt gestaltet: so, wie wir denken. Sanftmut und Nachgiebigkeit gelten wenig; Kälte und Härte regieren. Man müsste mehr Rundungen fordern. Der Kreis passt mehr zum Menschen als das Viereck, denn zyklisch verläuft das Leben in unserer Welt, im Kreislauf.

Die Gestaltungs- und Regelungswut lebt sich in Städten und Dörfern ganz konkret aus — durch Pfosten und Poller, Randsteine und erhöhte Mittelstreifen. Diese »Möblierung« der Straßen, besonders deutlich im benachbarten Elsass zu sehen, ist von Übel. Kaum steht ein Pfosten in der Mitte eines Radwegs, fährt jemand dagegen. Darauf kannst du Wetten abschließen. Begrenzungssteine werden von Autos gerammt, weil sie unterhalb der Sichtlinie stehen. Alle diese zu Objekten gewordenen Zwangsideen von Bürokraten sind gefährlich.

Kürzlich konnte ich mein Rad nicht mehr kontrollieren und fiel hin, zum Glück auf eine Wiese, in die ich zwei Löcher hineinpflügte. Doch ich tat mir nichts. Fast ist es schön, auf feuchten, nachgiebigen Erdboden zu fallen! Doch schaut euch die neuen Einfamilienhäuser an, die systematisch umpflastert sind. Auch der Mensch auf dem Land knallt sich den Boden mit Steinen zu. Der Architekt ist ein empfindlicher Mensch, dem ein Dorn in die Haut dringt und der sich beim Aufprall auf Stein böse verletzt, der Maurer auch und der Kranfahrer, der Hausbesitzer und sein Kind auch, alle sind wir dermaßen verletzlich — und alle machen wir mit und asphaltieren die Erde zu. Die Welt sieht so aus, wie es in den Gehirnen aussieht.

 

Dazu: der Artikel Kästchendenken.

 

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