Ester

Judit war ein Anfang. Wir können gleich mit Ester und dann mit Rut weitermachen, beides kleine Bücher des Alten Testaments mit Frauennamen. Eine Geschichte nacherzählen ist ja schön, in allen steckt etwas drin; aber sie soll nicht im luftleeren Raum hängenbleiben, sondern etwas soll ihr, der Geschichte, zur Seite gestellt werden. Das erklärt die Mini-Serien, die damit entstehen. Heute also zu Ester.

xerxes-i-3Ester ist wie Judit ein Buch der Rettung. Das jüdische Volk wird errettet. Die Geschichte spielt im 5. Jahrhundert vor Christus, als der König Achaschwerosch (gemeint ist der Perser Xerxes, der von 486 bis 465 regierte) von Indien bis Äthiopien über 127 Provinzen herrschte. Der König gibt ein Gastmahl, und am siebten Tag befiehlt er, angetrunken, die Königin Waschti solle geschmückt vor ihm erscheinen. Aber Waschti hat keine Lust. Da wird der König wütend, und wenn ein Allmächtiger wütend wird, dann gnade uns Gott! Achaschwerosch verstößt Waschti und will junge, hübsche Mädchen vor sich sehen, um eine neue Königin zu wählen. Aus dem ganzen Reich werden Mädchen herbeibeordert, um 12 Monate in einer Schönheitsfarm auf Hochglanz gebracht zu werden. Unter ihnen ist auch die liebreizende Ester, eine Waise, die vom Juden Mordekaj aufgezogen wurde.

Ester gefällt dem König am besten, und er ernennt sie zur Königin, auch wenn er nicht genau weiß, woher sie kommt. Das ist ihm egal.

Ester erscheint vor dem König. Holzschnitt aus der Kölner Bibel von 1479

Ester erscheint vor dem König. Holzschnitt aus der Kölner Bibel von 1479

Statthalter und zweiter Mann nach Achaschwerosch ist Haman. Der Jude Mordekaj bezeugt ihm nicht die gewünschte Ehrerbietung; Haman sinnt auf Rache. Er könnte Mordekaj und sein ganzes Volk bestrafen. Haman sagt also zum König:

Es gibt ein Volk, das zerstreut und abgesondert unter den Völkern in allen Provinzen des Reiches lebt. Ihre Gesetze stimmen nicht mit denen aller anderer Völker überein, und die Verordnungen des Königs befolgen sie nicht; es geziemt sich nicht für den König, sie gewähren zu lassen. Erscheint es dem König richtig, so ergehe gegen sie ein schriftlicher Vernichtungsbefehl.

Ja, die Juden sind etwas Eigenes. Nicht leicht zu unterjochen, stolz und unabhängig. Auch arrogant: das auserwählte Volk. Achaschwerosch, den das aber nicht sonderlich interessiert, gibt Haman freie Hand. Er schenke ihm das Volk, er solle nach Gutdünken mit ihm verfahren.

Dann sandte man durch Eilboten die Schreiben in alle königlichen Provinzen. Man solle vernichten, ermorden und ausrotten alle Juden, vom Knaben bis zum Greis, Kinder und Frauen, an dem gleichen Tag, am dreizehnten des zwölften Monats, und ihr Hab und Gut plündern.

Freilich ist es eine Geschichte, die nicht belegt ist. Sie ist ja auch 2500 Jahre alt. Raul Hilberg schrieb in seinem dreibändigen Werk Die Vernichtung der europäischen Juden: »Der Gedanke, sich der Juden zu entledigen, indem man sie umbringt, reicht weit in die Vergangenheit zurück.« Er kümmert sich aber nicht um 1500 Jahre Judenverfolgung, sondern zitiert Luther und den Abgeordneten Ahlwardt, der 1895 einen entsprechenden Vorschlag gemacht hatte, bevor er Hitlers Ankündigung in seiner Rede am 30. Januar 1939 zitiert:

Ich will heute wieder ein Prophet sein. Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa.

Das war ziemlich klar, aber zu ungeheuerlich, um ernst genommen zu werden. Einen schriftlichen Vernichtungsbefehl gab es nie. Reichsführer-SS Reinhard Heydrich sagte in einer Besprechung im Herbst 1941 zu Adolf Eichmann: »Der Führer hat die physische Vernichtung der Juden befohlen.« Da schluckten alle, die das hörten, aber Befehl ist Befehl, Achaschwerosch hatte gesprochen, und die Vernichtungsmaschinerie wurde konstruiert.

Mordekaj erfährt von dem Plan Hamans und lässt Ester eine Abschrift des Ausrottungsbefehls zukommen. Ester befahl den Juden zu fasten und erklärte, sie werde zum König hingehen. Wer ungefragt zum König geht, riskiert sein Leben; also veranstaltet Ester ein Festmahl und lädt den König und Haman ein. Vielleicht war der König wieder angetrunken, jedenfalls sagt er beim Weingelage zu seiner Königin, um was sie bitte? Bis zur Hälfte des Königreiches solle es ihr gewährt werden. Ester vertröstet ihn auf morgen, der Fortsetzung des Festes.

Dann bittet Ester, ihr das Leben zu schenken und ihrem Volk auch. Wer denn ihr Volk vernichten wolle, fragt der König. Ester deutet auf Haman. Bald wird er an einem Pfahl aufgehängt, Ester bekommt sein Hab und Gut und bittet ferner, man möge den Vernichtungsbefehl schriftlich widerrufen. Und an dem Tag, an dem die Juden vernichtet werden hätten sollen, besiegen sie ihre Feinde und töten 75.000 Mann. Diese zwei entscheidenden Tage sind bis heute den Juden heilig, es ist ihr Purim-Fest.

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