Der Schneesturm

Am Todestag Puschkins will ich eine kurze Erzählung von ihm wiedergeben, die trefflich konstruiert ist, eine schöne Pointe hat und gut ausgeht — getreu dem Vorsatz, auf manipogo eher Lustiges und Harmonisches aus der Literatur zu bringen. Wer sich ein Vergnügen gönnen will, kann freilich Der Schneesturm selber lesen statt meines Beitrags;  es sind ja nur 13 Seiten. Ich stieß beim Herumlesen darauf und hatte Lust, die kleine Novelle nachzuerzählen.

Da lese ich doch, dass die Bayerische Staatsoper München den Schneesturm im April als Ballett aufführen möchte — ungewöhnlich. Wikipedia erzählt die Geschichte auch nach, auf 12 Zeilen, aber das ist zum Erbarmen; das kann manipogo besser. Alexander Puschkin (1799-1837) schrieb das Stücklein 1831 und reihte es unter die Novellen eines angeblich unbekannten verstorbenen Schriftstellers ein, Iwan Petrowitsch Belkin. Was er sich davon versprach, bleibt sein Geheimnis. Und nun las ich auch die Hintergründe des Duells, das den beliebten Dichter das Leben kostete. Ein Franzose bemühte sich auf derart provozierende Weise um Natalja, Puschkins Frau, was er nicht hinnehmen konnte, zumal Gerüchte über deren Untreue aufgekommen waren; getratscht wird leider immer.

Im Jahr 1811 lebt die 16-jährige Marja Gawriilowitsch mit ihren Eltern auf Gut Nenarodowo. Der Bewerber sind viele, doch der arme Fähnrich Wladimir gewinnt das Herz der jungen Schönen. Da mit der Einwilligung der Eltern zu einer Heirat nicht zu rechnen ist, planen die beiden Verliebten die Eheschließung auf eigene Faust. Marja soll eines Abends fliehen. Wladimirs Kutscher soll das Mädchen in das Dorf Schadrino bringen, wo alles schon vorbereitet ist: Ein Geistlicher wird warten, Trauzeugen werden bereitstehen.

017Wladimir will in einem Einspänner nach Einbruch der Dämmerung nach Schadrino fahren. Das sollte eigentlich nur zwanzig Minuten dauern. Doch dann kommt ein Schneesturm von ungeahnter Wut auf: und »die ganze Umgegend war mit einem dicken, gelblichen Nebel verhüllt, in dem sich die weißen Schneeflocken jagten. Himmel und Erde flossen am Horizont in eins zusammen.« Wladimir verliert die Richtung, sein Pferd schwächelt, und die Zeit vergeht. Er durchquert einen Wald und erreicht erst gegen Mitternacht ein Dorf, und als sie sich Schadrino nähern, nähert sich bereits der Morgen. Die Kirche ist verrammelt. Und schlechte Nachrichten warten auf den armen Wladimir.

Puschkin zeigt uns nun Marja, die am nächsten Morgen wie gewohnt zum Frühstück herunterkommt. Sie ist blass und wird bald danach krank, schwebt vierzehn Tage zwischen Leben und Tod.  Die Eltern begreifen und geben die Einwilligung zu der Heirat; doch Wladimir schreibt, er werde nie wieder den Fuß über ihre Schwelle setzen. Im Jahr darauf kommt er beim Einmarsch der Franzosen nach Moskau um. Marjas Vater stirbt auch und hinterlässt ihr ein Vermögen. Es sind nun vier Jahre vergangen, sie ist 20 Jahre alt und wird wieder umschwärmt, und dieses Mal gewinnt der blasse, verwundete Husarenoberst Burmin ihr Herz, ein liebenswürdiger, bescheidener Mensch. Marja ahnt seine Gefühle und teilt sie, und eines Nachmittags gesteht ihr Burmin endlich, er liebe sie leidenschaftlich … Doch gebe es da ein Geheimnis, »das eine unübersteigliche Schranke zwischen uns aufrichtet …« Er sei das unglücklichste Geschöpf auf der Erde, denn: Er sei verheiratet.

Nun dämmert einem etwas. Der junge Mann erzählt vom Anfang 1812 und einem wütenden Schneesturm, der seinen Kutscher den Weg verlieren ließ. Da war ein Licht, sie fuhren hin, Stimmen riefen sie herbei, und es hieß, die Braut sei schon in Ohnmacht gefallen, und man zerrt ihn in eine Kirche; der Geistliche fragt, ob er beginnen solle, und Burmin sagt zerstreut ja, beginnen Sie nur. Alle sind mit der Braut beschäftigt, die beiden werden getraut, sollen sich nun küssen … da schreit Marja auf: »Er ist es nicht!« Burmin entfernt sich rasch, springt in die Kutsche und fährt davon. »Weder weiß ich, wie das Dorf, heißt, in dem ich getraut wurde, noch erinnere ich mich an die Station, von der ich abfuhr«, sagt er Marja. Es sei verbrecherisch gewesen. Was sagt Marja darauf?

»Mein Gott, mein Gott!« rief Marja und ergriff seine Hand; »also Sie waren es! Und Sie erkennen mich nicht wieder?!«
Burmin erbleichte — und warf sich ihr zu Füßen.        

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