Flugverkehr (114): Dürers Flugobjekt

Der Paumgartner-Altar besteht aus einem Mittelstück und einer linken und einer rechten Seite: ein Triptychon. Albert Dürer schuf ihn 1502/1503. Ich sah das Mittelstück in meinem Buch über die Alte Pinakothek — und entdeckte etwas darauf, das mir Rätsel aufgibt. Was oder wer ist dieses schwer zu identifizierende Flugobjekt?

Im 15. und 16. Jahrhundert dachten die Menschen anders als wir heute. Sie hatten ein magisches Weltbild, glaubten an Vorzeichen und das Schicksal, freilich auch an Gott und hatten ein direktes Verhältnis zur Sprache: Das Wort war gewissermaßen das Ding und nicht nur seine lautliche Repräsentation. Die Heiligen und die Boten Gottes — die Engel —, die mildtätig herab- oder vorbeischauen, werden ganz konkret am Himmel abgebildet, und das findet man auf naiven Bildern des Volkes auch 200 Jahre später noch.

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In Gemälden von etwa um 1500 schweben über Maria und anderen Motiven Reigen von Englein umher, sich an den Händen haltend. Hans Memling (1433-1494) malte auf seinem Altar Die sieben Freuden Mariae auf der rechten Hälfte zwei Heilige und einen Engel einfach an den Himmel, oberhalb des Horizonts, wie wir im folgenden Ausschnitt (ungefähr) sehen.

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Das Mittelstück des Paumgartner-Altars stellt die Geburt Christi dar, der von Engelchen umringt ist, und am Bildrand unten links und rechts brachte der Künstler Abbilder seiner Auftraggeber unter, auch das eine Spezialität spätmittelalterlicher Kunst. Das Original ist natürlich in Farbe: rot das Gewand Marias, gelb die Sonne oben links, und Gelb umgibt auch die fliegende Gestalt hinten am Himmel, auf die unwillkürlich der Blick fällt. Sie ist das Rätsel. Die Sonne leuchtet, Christus ist geboren, also wird die Gestalt, die von links nach rechts fliegt, auch eine gute sein, ein gutes Omen.

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Diese fliegende oder schwebende Gestalt bedeutet etwas. Aus der Ferne könnte es eine Hexe mit Besen sein; wir müssen sie uns genauer anschauen:

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Die Flügel sind gut erkennbar, und dazwischen scheint ein Kopf zu sein, der nach unten blickt, auf den Schauplatz. Die Schnur gehört vielleicht zum Habit eines Mönchs, doch der Wulst, der sich hinten wieder nach oben zieht, ergibt keinen Sinn. Der Engel, so es einer sein soll, hat zu scharfe Kanten, die wie zugeschnitten wirken. Vielleicht hat der Meister nicht so darauf geachtet; oder bei einer Restauration hat etwas nicht geklappt. Unidentifiziert.

 

 

 

 

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