Die neue Welt

Odin bedachte seinen drohenden Untergang und wartete. Er wollte das Ende des Lieds hören — wie Balder wiederkäme und die Welt neu würde. Süß und frisch wie die Lerche klang das Lied, als die Wala nach ihrer Pause wieder begann, und Odin auf seinem Thron hörte, wie die Stimme der Seherin aus der Luft zu ihm kam, ihn erreichte.

In Hela ist alles friedlich. Die Unterwelt (kein Baumarkt) hat das Feuer nicht erreicht. Mimers Quelle speist den Weltenbaum wieder, der nur seine alten Äste eingebüßt hat.

walenseeDas Neue Zeitalter der Welt dämmert herauf. Die Sonne steht strahlend am Himmel, denn Götterliebling Balder ist zurückgekehrt. Die Erde erhebt sich aus dem Wasser und ist grün wie nie zuvor. Der Adler oben in den Lüften erspäht den nahrhaften Fisch. Asgard wird wieder schön. Die Kinder von Odin sind da und die Söhne von Thor, die seinen Hammer hüten, neben Honer, der die Zukunft kennt.

Wieder unterhalten sich die Götter. Diesmal erinnern sie sich an die Midgardschlange und den Wolf Fenrer und an die magischen Runen ihres Odin, in dessen heiligen Hallen sich nun Balder und sein Bruder Hodur aufhalten. Alles Böse ist verschwunden, und Leid gibt es nicht mehr. Die Erde trägt Früchte, ohne dass man etwas säen müsste. Die bildhübsche Tochter von Sol zieht den Sonnenwagen übers Firmament.

Wir finden bei den Germanen eine Erklärung dafür, dass in unserer Sprache — im Gegensatz zu Griechen, Römern, Franzosen — die Sonne weiblich ist und der Mond männlich. Mundilfore, ein Gott, brüstete sich seiner Kinder so sehr, dass die Kollegen sie ihm wegnahmen. Sol war seine Tochter, und sie musste den goldenen Sonnenwagen lenken, den die zwei Pferde Arvak und Alsvid ziehen. Verfolgt wird die Sonne immer vom Wolf Skoll.

DSCN5549Mani war der Sohn Mundilfores und wurde zum Mondgott. Seine hübschen Kinder Hyuki und Bil sind bei ihm, man sieht sie von Erden aus. Der als Wolf auftretende Riese Hati läuft dem Mond voraus und heißt auch Managarm, der Mondverschlinger. Das hatten wir ja schon, gestern. (Links: mein Mondanhänger, indianisch. Seit ich diese Mani-Sage kenne, trage ich ihn wieder um den Hals. Und: Mondmädchen!)

ballreLifthraser und Lif (Leben) werden die Erde mit Kindern bevölkern. Sie sind makellos und ernähren sich von Honigtau. Die Halle der neuen Rasse heißt Gimle. Im Himmel steht die Brimer-Halle, in der Met-Trinker am Tisch sitzen und es sich gut gehen lassen. In der Naastran-Halle leben die Bösen. Sie ist aus Schlangen gemacht, deren Gift von oben herabträufelt und die Sünder auf ihren Bänken verletzt.

Odin kehrt nicht mehr zurück, Heimdal auch nicht. Ein Mächtigerer kommt, dessen Namen man nicht nennen will. Er kommt zum Großen Gericht. Er regiert über alles und beendet die Kriege. Er erlässt heilige Gesetze, die auf ewig gelten.

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Und um Odin verklang das Lied der Wala. Und er saß auf seinem goldenen Thron und grübelte.

Die nordischen Sagen entstanden spät, etwa nach 800. Der Götterhimmel der Teutonen war ebenso bunt wie derjenige der Griechen, und Odin konnte sich stets verwandeln, um ein Mädchen für sich zu gewinnen. Kurzweilig liest sich das, doch vergessen wir nicht, dass es Einflüsse von den Griechen, den Römern und vom Christentum gegeben hat. Das Ende deutet auf ein christlich geprägtes Weltengericht hin, wobei die alten Götter und Odin, ihr Chef, nicht mehr erwünscht sind. Das ist zu beklagen; denn das Christentum hat uns in den tausend Jahren nach der poetischen Edda, dem Sagenkreis der Isländer, nichts als Qualen und Langeweile gebracht. Hat auch Kriege vom Zaun gebrochen und arme Menschen massakriert oder gewaltsam missioniert.

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