Der Tag der Preisverleihung

Vor einer Woche war ich oben im Fränkischen, 25 Kilometer westlich von Nürnberg, bei der Firma Ortlieb. Die ersten 5 Preisträger des Geschichten-Wettbewerbs zum 30-jährigen Firmenjubiläum waren eingeladen, wir waren eine nette Truppe, aßen gut zu Mittag und nahmen unsere Preise – 4 Räder und 1 Kanu – in Empfang. Wir waren hoch zufrieden und sagen: Danke, Ortlieb.

Ortlieb fing als Garagenfirma an. Der junge »Wuschelkopf« Hartmut Ortlieb machte im Frühjahr 1981 eine Radtour durch Südengland und wurde furchtbar nass. Dann geschah etwas, was sich im Firmenprospekt Enjoy the Ride so liest: »Der junge Mann sieht einen LKW vorbeifahren. Der Dauerregen prasselt auf seine Plane nieder, doch die Ladung bleibt trocken.« Eine Erleuchtung überkommt den jungen Mann: Das war die Geburtsstunde der Ortlieb-Satteltaschen. 

Toll sind diese Geschichten aus Pionierzeiten. Der Wuschelkopf (vermutlich wie Jon Bon Jovi) setzte sich an seine Bernina-Nähmaschine, nähte ein Exemplar zusammen, bot es herum, bekam erste Orders und gründete die Firma Ortlieb. Die Nähmaschine steht heute in einem Saal neben den ersten Packtaschen. Aber so recht dicht waren die Nähte nicht. Die Versuche mit Hochfrequenz-Schweißtechnik gelangen, und seither sind die Ortlieb-Taschen 100-prozentig wasserdicht. Heute hat die Firma an ihrem Sitz in Heilsbronn 150 Mitarbeiter. Gutes Betriebsklima, überall herrscht entspannte Atmosphäre; vielleicht geht es in der Produktion etwas härter zu, aber dahin durften wir nicht. Der Firmengründer blieb leider unsichtbar. (Foto: die berühmte Nähmaschine)

Siegerin Maria Isabel Völker mit Riese- und Müller-Hybrid-Rad

Produziert wird am Ort, in Franken. Bald, wenn es wärmer wird, dann geht was, dann verlassen hunderte Päckchen die Fabrik. Kleinere Teile für die Taschen (panniers heißen sie auf Englisch) werden mit Formen ausgestanzt (wie der Teig für Plätzchen), größere mit dem Hochdruck-Wasserstrahl aus den Planen geschnitten. Die Ortlieb-Produkte, die nunmehr eine reichhaltige Palette bestücken, sind nicht kaputtzukriegen, und das soll auch so bleiben.

Der fünfte Preis; links Kerstin Engl, dahinter Christina Halasz von Ortlieb

Bei Reparaturen und dem Verschicken von Kleinteilen ist man äußerst kulant, und das führte zu einem hervorragenden Image und zu einer starken Kundenbindung. Es gibt nun so viele verschiedene Taschen mit schönen Farben, dass der Radler nicht genug von ihnen kriegen kann. Sie werden in die ganze Welt verschickt. In Mexiko erfuhren Mitarbeiter, dass ein Modell gern für den Drogentransport verwendet werde, da die Suchhunde nicht so schnell anschlagen.  

In den Bundesstaat Chiapas fuhren Ralf Vogt und Mitarbeiter vergangenes Jahr zu einem Fototermin. Viele Straßensperren, erzählte Ralf, und Polizisten mit Maschinenpistolen. Mexiko ist ja zu einem Schwerpunktland von manipogo geworden. Die Maya-Bevölkerung von Chiapas hatte 1994 sich für autonom erklären wollen, und ihr verlustreicher Kampf unter Subcomandante Marcos und den Zapatisten wurde weltweit beachtet. Auch heute noch ist es ein sogenannter niederschwelliger Konflikt. Die  mexikanische Regierung lässt dort foltern, wie aus dem Bericht De la Crueldad al Cinismo des Centro de Derechos Humanos Fray Bartolomé de Las Casas hervorgeht. 

Der Bronzemedaillengewinner auf seinem Zox-Liegerad

Ich habe zu meinem Zox-26-Liegerad aus Erlangen sogar noch zwei wunderschöne weiße Backroller bekommen, aber ich glaube nicht, dass ich wie der Amsterdamer Künstler bei minus 15 Grad campieren will. Außerdem habe ich dieses Jahr wenig Zeit, wegen meines Buchs über die Zeit. Außerdem bin ich gerade nicht so gut drauf. Doch irgendwann packe ich die Taschen voll, setze mich drauf (Zuladung mit Fahrer: 120 Kilo) und fahre nach Westen, Süden oder Osten. Vorstellen werde ich die Maschine schon einmal.    

Dieser Eintrag wurde am Freitag, den 1. Februar 2013 um 00:43 Uhr erstellt und ist in der Kategorie Fahrrad zu finden. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

Ein Kommentar zu “Der Tag der Preisverleihung”

  1. Herbert

    Manfred, mein Lieber!

    Ich möchte nicht, dass der Jon so verunglimpft wird. Der macht gute ehrliche Rockmusik, so wie der Hartmut eben vernünftige panniers fertigt.

    Dir eine gute erste Fahrt,
    Dein Herbert