Safest Sex

Safer Sex ist gut, doch der sicherste Sex — the safest sex — ist gar kein Sex. 1,5 Meter Abstand ist eine unüberwindliche Hürde. Masturbieren im Angesicht der/s Geliebten? Keine schöne Lösung. Kürzlich schaute ich das regionale Gratis-Magazin Zypresse durch, deren Sparte Begegnungen immer unterhaltsam war, doch nun: statt 80 Anzeigen nur mehr 8.

056Corona hat der Prostitution die rote Karte gezeigt, ihr den Garaus gemacht. Viele mögen das für gut halten: Sind ja alles unterdrückte Mädels meist aus dem Osten. Aber: Was wird aus ihnen geworden sein? Vorher waren sie schon der Bodensatz der Gesellschaft, jetzt sind sie noch weniger und haben zudem auch kein Geld mehr. Viele sind vielleicht zurückgegangen in ihr Heimatland, andere schlagen sich womöglich mit Putz-Jobs durch, denn sie werden keine großartige Ausbildung mitgebracht haben. Traurig.

Da denke ich an die Basaglia-Reform von Italien im Jahre 1978. Man schloss die unerträglichen riesigen Irrenhäuser. Gut, sagten fast alle. Doch viele Patienten hatten keine Familie, wurden ins Nichts entlassen und gingen zugrunde. Man führte allmählich eine gemeindenahe Psychiatrie ein, doch das dauerte. Eine gute Reform, radikal verwirklicht, führte zu Unheil.

Prostitution gibt es seit 3000 Jahren, vermutlich seit Anbeginn der Welt. Man sagt: der älteste Beruf der Menschheit. Männliche Nachfrage und Bedarfsdeckung. In Filmen kommen viele Prostituierte vor, weil männliche Drehbuchautoren das prickelnd finden. Pretty Woman von 1990 mit Richard Gere als reichem Geschäftsmann und Julia Roberts als Edelnutte war ein Märchen.

wohnromIn Rom damals rief ich einmal eine Nummer im Messaggero an und ging angsterfüllt hin. Alle paar Monate wiederholte ich das, es wurde eine schöne Geschichte, und später, in Deutschland, rief ich Paola oft an, um mich nach dem Geschäft zu erkundigen und sie aufzubauen. Kurze Treffen bei Reisen gab’s auch, ernüchternde, da Erwartung zu groß und Ablauf zu hektisch. Wir kennen uns seit 20 Jahren, und vergangenen Mai … erreichte ich sie plötzlich nicht mehr. Ihr Telefonanschluss war abgeschaltet. Schon vorher hatte sie zu kämpfen gehabt, um die Miete für ihren Sado-Maso-Salon zu zahlen. Seit einem Jahr nichts mehr von ihr gehört. Was mag aus ihr geworden sein?

Prostituierte kriegen keine Corona-Hilfen. Höchstens vom Zuhälter einen Tritt. Du kannst gehen, Baby. Die Sache ist durch. Die Arme hat vielleicht nicht mal einen Platz zum Schlafen. Wenn sie zurückgeht, muss ja niemand erfahren, was sie in Deutschland getrieben hat. Ist schon ein dreckiges Geschäft. Irgendwo las ich, wenn in einer Kultur die Frauen unabhängig waren und viel zu sagen hatten, gab’s kaum Prostitution. Bei uns wird viel über die Unabhängigkeit der Frauen geredet, aber das war’s auch schon.

 

Illustrationen: oben rechts der Aufgang zu einer kleinen Pension in Vauvert; das Biild taucht hier noch einmal auf. Alle 10 Minuten veränderte sich die Farbe: erst grün, dann gelb, dann wieder rosa. — Unten links: kein Sado-Maso-Salon, sondern mein/unser Wohnzimmer in Rom, Quartier Monteverde nuovo.

 

 

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