Der Antrieb des großen Gelehrten

Michael Faiss schrieb mir über einen Neuzugang für sein Fahrrad-Museum in Weilheim bei Tübingen und schickte auch Bilder mit. Das reicht manipogo an seine Leserschaft weiter, weil Michael einmal Fahrradbeiträge angemahnt hat und weil es sich um ein höchst interessantes Fahrradexemplar handelt. Lassen wir uns überraschen.

Es ist ein Fabrikat aus dem Jahr 1983 von Peter Fendt, dem Sohn des Traktorenherstellers aus Marktoberdorf im Allgäu. Sehen wir es uns an.

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Eine Schönheit, ein filigranes Ding, das sich sicher fast schwerelos bewegen lässt. Was fällt uns auf, wenn wir genauer hinschauen? Richtig, dieses Rad hat keine Kette! Das Modell Cardano Comfort wird durch einen Kardanantrieb bewegt. Einen solchen gab es für Autos mit Frontmotor und Hinterradantrieb; die Kardanwelle zog sich durchs Fahrzeug. Beim Rad gibt es ein Kegelradgetriebe vorn und eins hinten, aber man sieht es nicht, es ist gut versteckt. In den 1920-er Jahren fertigte Dürrkop Kardanantriebe serienmäßig. Sie »schmutzen« weniger als eine Kette, sind jedoch auch schwerer und machen einem das Bergauffahren schwer, obschon es den Antrieb heute kombiniert mit Nabenschaltung gibt.

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Den Namen hat der Kardanantrieb von dem Arzt und Gelehrten Girolamo Cardano, geboren 1501 in Mailand und gestorben 1576 in Rom. Er war OIP.dqmWc1Rh3M-ERF8eXTfW1wHaJceiner der letzten Universalgelehrten, war Medizinprofessor in Bologna und erfand 1548 einen Kardanantrieb für eine Kutsche von Kaiser Karl V. Schon 1550 unterschied er Elektrizität und Magnetismus. Cardano war begehrt als Leibarzt, veröffentlichte auch theologische Schriften und wurde schließlich von der Inquisition verfolgt. Er rechnete mit komplexen Zahlen  und war ein großer Mathematiker, doch auch ein kundiger Arzt, der viele als unheilbar geltende Kranke heilte. Wie es bei Wikipedia heißt, verschrieb er Pharmazeutika erst nach eingehender Untersuchung und bevorzugte Diät, Bewegung und Gespräche. Der Kardanantrieb war wohl ein Abfallprodukt des genialen Cardano, das ihm dann ironischerweise zur Unsterblichkeit in dieser Welt verhalf. Hier unten: sein Name auf einem Fahrradrahmen.

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