In der Hölle, auf ewig (?)

»Du bist nichts anderes als dein Leben«, sagt Inès zu Garcin, der beklagt hatte, er sei zu früh gestorben. Ach, man sterbe immer zu früh, erwidert Inès leichthin. In dem übersitzten Raum hinter verschlossenen Türen sitzt noch Estelle, sie sind zu dritt. Garcin ruft aus: »Ach, das ist ein Witz! Wir brauchen keinen Grill; die Hölle, das sind die Anderen.« Und am Ende des Theaterstücks sagt er: »Na gut, machen wir weiter.«

Huis clos heißt das berühmte Theaterstück von Jean-Paul Sartre, Hinter verschlossenen Türen, und 1947 ist es herausgekommen. Vor dem Krieg gab es die Surrealisten um André Breton und Paul Èluard, die Dadaisten um Hugo Ball und Tristan Tzara in Zürich, nach dem Krieg rezipierte man Albert Camus und Jean Genet, Samuel Beckett und Eugène Ionesco. Paris war die Kapitale des Absurden.

DSCN0008Aber sind wir nur unser Leben? Wir haben versucht, uns zu verwirklichen, doch das gelang nur bedingt. Kann man uns das vorwerfen? Wir haben ja das Beste gewollt. In Japan etwa zählte immer mehr die Motivation als das reale Ergebnis: Der Wille gilt fürs Werk, ist ein schöner deutscher Ausspruch. Wenn wir uns vom Körper getrennt haben werden, zählt nicht das reale Ergebnis, sondern das, was wir sind, was wir wollten und wollen. Das wird unser geistiges Umfeld sein und uns zur Ehre gereichen. Hölle, Paradies und Fegefeuer existieren nicht als reale Räume. Unsere geistige Welt schickt uns dorthin, wo wir hingehören. Vielleicht werden wir eine Weile desorientiert und verzweifelt sein, doch nach der Gewissenserforschung kann jeder gerettet werden und aufsteigen.

DSCN0680Die drei Menschen in Sartres Stück sind zufälligerweise zusammengeführt worden. Nichts verbindet sie. Garcin wundert sich, dass es keine Folterinstrumente gibt. Inès erkennt: »Jeder wird der Henker für die beiden anderen sein.« Estelle verliebt sich in Garcin, Inès ist eifersüchtig, alle gestehen ihre Schandtaten (Estelle hat ihr Kind getötet, Garcin seine Frau gequält und ist feige geflüchtet, Inès hat einen Mann zugrunde gerichtet) und sehen ein, dass sie auf ewig zusammen sein und sich quälen müssen. Die Hölle ist vielleicht die Erkenntnis der Ewigkeit eines Zustandes; wenn wir wüssten, dass die Qual bald endet, wären wir nicht verzweifelt; doch die Qual quält so, man will ihr ein Ende machen. Estelle sticht mit dem Brieföffner auf Inès ein, doch das ist sinnlos, sie ist ja schon tot.

05052rNa gut, machen wir weiter. Sie können ewig so weitermachen. Doch die drei könnten sich auch besinnen. Wie können wir dem entrinnen? Vorgespielte Reue würde nichts nützen, wenn wir annehmen, dass wir wirklich in Gottes Schatten sind. Die drei könnten damit aufhören, einander zu quälen; erst müsste ein jeder sich selbst verzeihen, dann würde jeder den beiden verzeihen, aber nein, sie haben einander ja nichts angetan, es gibt nichts zu verzeihen; jeder könnte den anderen verstehen und trösten, und statt zum Henker für die anderen würde einer jeweils für die anderen zum Engel werden, und die Türen würden sich öffnen, ein Licht erschiene, und in eine neue Dimension würden sie eintreten, geläutert und beseligt.

Wir denken an den schönen Film Und täglich grüßt das Murmeltier, wo Bill Murray durch den Daueraufenthalt im Ort, als wäre es der Durchlauf durch mehrere Inkarnationen, moralisch immer besser wird. Auch das Leben dauert ewig, bis es sich dem Ende zuneigt, dann war es plötzlich kurz, und ein scheinbar ewiges Sich-Beharken könnte sich erschöpfen, und vielleicht war es kein Zufall, der die drei zusammengeführt hat? Die Fortsetzung des Theaterstücks wäre noch zu schreiben und fehlt entsetzlich.

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Dazu noch eine Passage aus dem Buch Here and Hereafter von 1968, übermittelt an Anthony Borgia von Monsignore Robert Hugh Benson, einem katholischen Priester, als er noch lebte. Die Frage: Müssen Seelen in grauen (oder heißen) Regionen ewig dort bleiben?

Nein, nein! Nie in alle Ewigkeit. Sie werden dort so lange bleiben, wie sie wollen. Einige von ihnen leben in den dunklen Bezirken seit Tausenden von Jahren, aber tausende Jahre sind nicht die Ewigkeit, auch wenn es den Bewohnern jener Zonen so vorkommen mag. Doch jede Seele in der Dunkelheit kann ihren Aufenthalt dort aus eigenem Willen beenden, wenn sie sich dazu bereit fühlt. Die Wahl liegt bei ihr. Wenn die Insassen der dunkeln Bezirke keine Neigung zu spiritueller Weiterentwicklung verspüren, dann bleiben sie eben, wo sie sind. Niemand zwingt sie, aufzusteigen. In dem Augenblick, in dem einer der unglücklichen Bewohner auch nur den geringsten Versuch unternimmt, sich aus den engen Verhältnissen zu befreien, ergeht sein Wunsch als Ruf an die höheren Regionen, und alles Erdenkliche wird geschehen, um seine Füße auf den Weg nach oben zu bringen, zum Fortschritt der Seele. Dieser Weg kann steil und schwierig sein, aber nicht so steil und schwierig, dass ihm nicht jemand helfen würde, die Hindernisse zu überwinden. Das ist spirituelles Wachstum im besten Sinne, und dies steht jedem offen.   

 

 

 

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