Die ersten Tötungsanstalten

Nun das Gegenteil von Humor. Wir erinnern kurz an die Euthanasie-Aktion T4, mit der die Nationalsozialisten »lebensunwertes Leben« auslöschen wollten. Geisteskranke sollten massenhaft getötet werden. In zwei Jahren gab es 70.000 Opfer, bevor nach kirchlichen Protesten die Aktion auf Geheiß Hiters eingestellt wurde. T4 hieß die Aktion, weil die betreffende Behörde in der Tiergartenstraße 4 ihren Sitz hatte.

An einem Abend im Heim rief mich ein 92 Jahre alter Bewohner in den Speisesaal, wo er alleine saß. Er wolle mir eine Geschichte erzählen, um sie loszuwerden. 1940 sei er 13 Jahre alt gewesen und habe in einem Ort bei Demmin einen Flickschuster gekannt, der im Keller arbeitete. Der Mann konnte nicht sprechen, er lallte nur, war aber herzlich und gutmütig. Wenn der Junge seinen Besuch ankündigte, rief der Schuster schon drei Wochen vorher »Siegfried, F-f-f-freund Siegfried kommt!« Eines Tages war der Schuster verschwunden. Ein Onkel nahm den Jungen beiseite und erzählte ihm von den ungewünschten Menschen mit dem gelben, dem rosa, dem schwarzen Stern, und dass sie weggebracht und vielleicht getötet würden; sicher deutete der Onkel das an.

Rauch steigt auf vom Krematorium der Heilanstalt Hadamar, wo 14.000 Menschen ermordet wurden

Rauch steigt auf vom Krematorium der Heilanstalt Hadamar, wo 14.000 Menschen ermordet wurden

Die Geisteskranken, wie man früher sagte, wurden vergast. Hitler soll auf privates Briefpapier geschrieben haben:

Reichsleiter Bouhler und Dr. med. Brandt sind unter Verantwortung beauftragt, die Befugnisse namentlich zu bestimmender Ärzte so zu erweitern, dass nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann.

Die Endlösung, also den Mord an Millionen Juden, ordnete er nur mündlich an. Im Fall der Psychiatriepatienten sollten 40 Gutachter die Fälle der Menschen in Anstalten prüfen und Listen erstellen. In grauen Omnibussen wurden die Todgeweihten abgeholt. Es gab sechs Tötungsanstalten mit Gaskammern: Schloss Grafeneck in der Schwäbischen Alb; Bernburg bei Magdeburg; Brandenburg an der Havel; Hadamar bei Limburg an der Lahn; Schloss Hartheim (Österreich); Pirna-Sonnenstein bei Dresden.

Schloss Hartheim in Österreich hatte 70 Mitarbeiter, die täglich töten mussten,was sie nicht davon abhielt, nach Dienstschluss zu feiern (beide Bilder: Planet Wissen)

Schloss Hartheim in Österreich hatte 70 Mitarbeiter, die täglich töten mussten, was sie nicht davon abhielt, nach Dienstschluss zu feiern (beide Bilder: Planet Wissen)

Ein Historiker äußerte die Vermutung, die Aktion sei abgebrochen worden, weil man das Personal andernorts dringender brauchte: in Polen, wo im August 1941 die ersten Vernichtungslager entstanden. In drei Jahren wurden dann planmäßig fünf bis sechs Millionen Menschen ermordet und ihre Körper verbrannt.

 

 

 

 

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