Sklavenhandel

Auf einer Expedition einer Gruppe Bambara in Mali verschwindet spurlos ein kleiner Junge, Naba. Damals, im Jahr 1808, wussten es alle: das Werk von Sklavenhändlern. Was Maryse Condé in ihrem großen Roman Segu (1984) erzählt, verweist uns auf Ein Goldfisch. Auch Laïla war geraubt worden, als kleines Mädchen in Marokko. Plötzlich müssen wir uns mit der Sklaverei auseinandersetzen.

Naba wurde von einem Dutzend »tollwütiger Hunde im Busch« geraubt, wie man damals in Mali die Kinderdiebe nannte. Sie fassten kleine Kinder, die sich mühelos in einem Sack forttragen ließen, und die Fahrt ging zu einem der Sklavenmärkte, wo es gutes Geld für das Kind gab. Naba war indessen ein starker Halbwüchsiger; er wurde eingeschläfert, gefesselt und in einer Decke eingehüllt auf einem Pferd transportiert. Das Gewicht seines Fleisches wurde geschätzt, sein Penis gemessen, seine Zähne wurden geschätzt und seine Muskeln befühlt. Naba war nun zur Ware geworden. Für einen kräftigen Sklaven konnte man 25 bis 30 Gewehre und als Dreingabe eine oder zwei holländische Tabakspfeifen bekommen. Maryse Condé erklärt uns (übersetzt von Uli Wittmann):

Seit mehreren Jahrhunderten hatten die europäischen Händler Festungen an den Küsten errichtet, an der Pfefferküste, der Elfenbeinküste, der Goldküste, der Sklavenküste, von der Insel Arguin bis hinter die Bucht von Benin. … Nach der Entdeckung der Neuen Welt und der Ausdehnung der Zuckerplantagen wurden der Sklavenhandel und die »Menschenjagd« zum einzig lohnenden Unternehmen. Zwischen Engländern und Franzosen entbrannte ein erbitterter Kampf um die Vorherrschaft …

Die Sklaven mussten warten, bis ein Schiff kam und die Händler auftauchten. Naba blickt um sich.

Der Raum, in dem die Sklaven untergebracht waren, starrte vor Dreck. Sobald man hineinkam, fiiel einen der dort herrschende Geruch an. Ein Geruch von Leiden, Todeskampf und Tod. Nicht wenigen Männern und Frauen war es gelungen, sich das Leben zu nehmen, indem sie das ungenießbare Essen, das man ihnen vorsetzte, verweigert hatten, und ihr Leichnam blieb dann dort liegen, mitten unter den Lebenden, bis einer der Wärter es bemerkte. Dann wurden alle ausgepeitscht, weil sie die Schuldigen nicht verraten hatten. In das große Saalgewölbe, dessen Boden mit Steinplatten gepflastert und mit Stroh ausgelegt war, drang Licht nur durch ein paar schmale, mit dicken Eisenstangen vergitterte Fenster.

Die Männer waren am Knöchel an die Trennwände gekettet, und denen, die man für aufsässig hielt, wurden außerdem noch die Arme auf dem Rücken gefesselt. Sie wurden nur zweimal am Tag zu den Mahlzeiten losgebunden, wenn es einen flüssigen und klebrigen Hirsebrei gab, der derart schlecht zubereitet war, dass er oft Übelkeit und Durchfall verursachte. So vermischten sich Kot und Erbrochenes mit dem verfaulten Stroh, in dem es bereits von Insekten wimmelte. Wenn ein Sklavenschiff auf der Reede ankerte, scheuchte man Männer und Frauen hastig hoch und übergoss sie eimerweise mit kaltem Wasser, um sie vom Ungeziefer zu befreien. Dann schor man den Männern den Schädel kahl und rieb ihren Körper mit Öl ein, um ihre Muskeln hervorzuheben, und führte sie in den Nebensaal, wo der Sklavenmarkt stattfand. Dort trafen die Menschenhändler, nachdem sie das Schiff verlassen hatten, ihre Wahl. 

Dann stellt sich Naba vor, wie es aussehen wird, wenn das Sklavenschiff mit den erworbenen Arbeitskräften in der Nacht auslaufen würde.

Männer in Laderäume eingepfercht; mit der Peitsche auf dem Oberdeck zum Tanzen gebracht. Frauen von Seeleuten vergewaltigt; Kranke und Sterbende über Bord geworfen. Schmerzensschreie. Schreie der Auflehnung und der Angst.

Schließlich würde ein furchtbares Stöhnen hörbar werden, eine »Mischung aus Schmerz und Aufruhr«, das die Sklaven ausstießen, wenn das Schiff für immer die Küsten Afrikas hinter sich ließ. Und dann »würde sich eines Tages ein Land des Exils und der Trauer am Horizont abzeichnen«.

 

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