El Greco malt

El Greco malt den Großinquisitor von Stefan Andres ist gewiss eine Novelle. Karg ist sie, kurz und treffend. Einen Umschlagspunkt gibt es auch. Wir greifen ein paar Zitate heraus, denn wie in den Drei Falken sagen die Protagonisten schöne und große Worte, die es lohnen, überliefert zu werden. Der Maler El Greco (»Der Grieche«), 1541 auf Kreta geboren, lebte in Toledo und starb 1614.

St.-FrancisKardinal Nino de Guevara ist das Oberhaupt der Heiligen Inquisition und kennt keine Gnade. Er verurteilt auch 15-jährige Mädchen zum Scheiterhaufen, ohne mit der Wimper zu zucken. Dieser hohe Herr befiehlt El Greco zu sich nach Madrid, um sich von ihm malen zu lassen, obschon er weiß, dass das Portrait nicht schmeichelhaft ausfallen wird. El Greco führt den Auftrag aus. Der Umschlagpunkt (der Falke) ist eine schwere Krankheit des Kardinals. Ein Gallenleiden bedroht sein Leben. Doktor Cazalla soll kommen, nur er könne ihn retten. Doch Cazallas Bruder starb durch die Inquisition. Der Arzt hat es in der Hand, die Welt von einem Übel zu befreien. Ein moralisches Problem tritt auf. (Bild von El Greco: der heilige Franz von Assisi)

Doch Cazalla versichert dem Kranken, er werde ihn heilen. Er solle immer neue Fristen bekommen, bis er selber keine Frist mehr wünsche, sagt dem Patienten ungerührt der Medicus. Unrecht wird durch neues Unrecht nicht getilgt; für den Kardinal würde nur ein anderer kommen, doch diese Überlegung wird nicht angestellt. Der Arzt heilt, mehr nicht. Auch wenn es ihn übermenschliche Kräfte kostet.

Ein paar Sätze sind bedenkenswert. So sagt El Greco:

Das Volk ist nicht schismatisch zu nennen, es sind die Priester, die Hirten — — die Grenzen aufrichten und niederreißen.

DSCN0817Das Schisma war eine Kirchenspaltung. Das Volk ist nicht gespalten, will uns El Greco sagen. Die kleinen Leute wollen nur überleben innerhalb der Grenzen, die ihm gesetzt sind. Die Priester setzen die Grenzen des Geistes, die Hirten die konkreten Grenzen; doch, so muss man einwenden, waren die Grenzen der Viehzüchter nicht so unverrückbar wie jene der Ackerbauern, durch die erst das Unheil kam. Sie zäunten ihren Besitz ein, um ihn zu schützen, und durch die Begehrlichkeit anderer kam es zu Kriegen, die Nomadenkulturen nicht gekannt hatten.

Stefan Andres, der von 1906 bis 1970 lebte und einer der meistgelesenen deutschen Schriftsteller war, spricht auch über die Malkunst und denkt als Erzähler über den Assistenten El Grecos nach, Preboste, der dessen Stil verinnerlicht hat und gekonnt wie der Grieche malt:

Preboste nimmt die Farbe als Außenseite der Welt, er nimmt die Welt für angestrichen; wie er sich irrt, der gute Hidalgo.

Denn:

Das Licht ist das Gewand der Dinge, es kann verhüllen und entblößen. Ein Gesicht hat tausend Gesichter, jedoch nur eines ist gültig.

Die Farbe ist ein sekundäres Phänomen, aufgeweckt durch das Licht der Wahrheit. Das Licht ist wie unser Bewusstsein: Was es uns zeigt, das existiert. Doch die bloße Existenz genügt dem Maler nicht; er will zur inneren Wahrheit der Dinge vordringen. Dazu braucht er seinen Kunstsinn und einen weiteren Sinn, der scheidet, kondensiert und etwas herausschürft, das man nicht benennen kann. Was entsteht, ist seine Wahrheit, die aber einem objektiven Wissen näherkommen kann als jede Fotografie.

Dann die größte Weisheit. Der Großinquisitor erwähnt die Furcht vor Gott, sie sei der Anfang der Weisheit. Und die übrigen Stufen? will er wissen. El Greco freudig:

Die übrigen Stufen: Freiheit, Freude und Liebe!  

 

 

Zu lesen dazu: zwei Beiträge über Nikos Kazantzakis‘ Rechenschaft vor El Greco. Der Autor des Alexis Sorbas war auf Kreta geboren wie El Greco und sah ihn als seinen Ahnherrn.

Abschluss in Toledo Untergang eines Reiches

 

 

 

 

 

 

 

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