Theodor Gottlieb von Hippel

Da stehen wir nun vor einem seltsamen Namen, den ich zum ersten Mal vor drei Wochen hörte und der zu einem der seltsamsten Schriftsteller aus der Goethe-Zeit gehört. Ich muss über ihn schreiben (warum, sehen wir gleich) und versuchen, es so interessant zu gestalten, dass ihr wenigstens ein paar Zeilen lest. Frisch ans Werk!

OIP.Vw8g9mZYWwmOOU4Mgm71uQAAAATheodor Gottlieb von Hippel war aus Königsberg, und das liegt weit außerhalb unserer Wahrnehmung: im Baltikum, noch ein paar hundert Kilometer weiter nordöstlich von Berlin. Heute gehört es unter dem Namen Kaliningrad zu Russland. Da war nichts los, und von Hippel war der erste, der erinnerte, dass es das Baltikum gab. Er war Advokat, dann Richter und ab 1780 sogar Polizeipräsidnet und Oberbürgermeister von Königsberg, schrieb seine Romane und Abhandlungen jedoch unter anderen Namen, dass sich viele Menschen viele Jahre fragten, wer der Autor sein könnte. Dann schrieb er noch lebhaft und geradezu chaotisch, in einem völlig eigenen Stil, dass man ihn Jean Paul Friedrich Richter zur Seite stellen möchte, dessen Zeitgenosse er auch war. Jean Paul lebte von 1753 bis 1825, Hippel von 1741 (geboren am 31. Januar) bis 1796. Goethe wurde 1749 geboren, Schiller 1759.

Im Nachwort zu einem Auswahlband von 1990 meinte Joseph Konen über den Balten von Hippel und sein beliebtes Todesmotiv:

Kein Romandichter der deutschen Literatur hat den Tod so sehr gefürchtet wie Hippel! Keiner hat sich auch mehr mit dem Tod beschäftigt als er! Viele Jahre redete er sich ein, mindestens ein Alter von siebzig Jahren zu erreichen. Mit den »Lebensläufen« ist er im Bereich der erzählenden Prosa geradezu zum Begründer der neuen deutschen Todespoesie geworden. Man stirbt in diesem Werk eigentlich von der ersten Seite bis zur letzten.

maid021Na wunderbar. Das soll uns erfreuen? Nein, es soll uns bloß bilden. Wir können davon gehört haben und es gleich wieder vergessen (wie viele Artikel dieser Welt). In dem Kapitel Ein Freund des Todes stellt uns Hippel einen Grafen vor, der sein Anwesen mit vielen Zimmern, Feldern, Höhlen und Kapellen zu einem Weiheort des Todes gestaltete und nur von ihm sprach, dem Schnitter. Er sieht:

Hier stand auch in einem Behältniß, von einem eisernen Gegitter eingeschlossen, des Grafen Sarg. Rührend war es mir anzuhören, dass er alle Vierteljahr einmal darinn schlief. … »Die erste Zeit schwitzt ich, … jetzt schlaf ich, ohne einen einzigen Schweistropfen, ruhig und sanft. Der Tod wird mir, das hof ich, nicht unbereitet kommen.«

Theodor Gottlieb von Hippel bewohnte ein Stadtpalais mit auserlesenen Kunstschätzen, unter denen er des nachts umherwandelte. Er hielt Abstand zu den Frauen und wollte sich nie verehelichen, und doch schrieb er 1793 Über die Ehe, das nach einigen Umarbeitungen zu einer Streitschrift für die Rechte der Frau wurde — und ihr Autor zu einem Vorkämpfer der Frauenemanzipation. Also haben wir einen, der stets gegen seine Dämonen kämpfte und sie schreibend niederzwingen wollte: Er fürchtete den Tod und die Ehe und schrieb andauernd darüber.

 

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