Flugverkehr (133): Ahmed Çelebi

Der erste Interkontinentalflug, noch dazu ohne Motor, soll 1640 in Istanbul stattgefunden haben: über den Bosporus, denn seine drei Kilometer Breite trennen Europa und Asien. Das tat nach Angaben eines türkischen Reiseschriftstellers Ahmed Çelebi, ein junger Forscher und Gelehrter. Wer dachte denn schon vor dem Jahr 1800 ans Fliegen? Das schauen wir uns näher an.

Der Hinweis stammt aus dem Mittelmeer-Buch von Rafael Chirbes. Von der asiatischen Seite sah er hinüber zur großen Stadt:

Auf dem Hügel von Galata erhebt sich düster der genuesische Turm über den Wohnsilos, den Palästen, Märkten und Moscheen.

Chirbes fuhr mit der Fähre die etwas mehr als 3 Kilometer zurück nach Europa und besuchte das Panorama-Restaurant des Galata-Turms, »hoch über dem Meer, allen Moscheen und gleichsam der ganzen Welt« und erzählt:

Von der Spitze des Turmes stürzte sich im Jahre 1640 Ahmed Çelebi in die Tiefe, ein Mann mit Flügeln, der über Häuser und Paläste hinwegsegelte un schließlich unversehrt landete. Und in der besten Tradition der Märchen aus Tausendundeiner Nacht fürchtete sich der Sultan vor jenem hochmütigen Menschenvogel, und statt ihn für seine Leistung zu belohnen, verbannte er ihn und sein Geheimnis für immer in die fernen Lande von Algier, am andern Ende des Mittelmeers.

Von der Internetseite TelifHakki.net, danke

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Dort muss er bald gestorben sein, etwa 30 Jahre alt. Die Geschichte geht auf einen anderen Çelebi zurück (das Wort bedeutete damals »Mann Gottes«), auf Evliya Çelebi (1611-1682), der 40 Jahre lang die Welt ums Mittelmeer bereiste und 10 Bände über seine Fahrten schrieb. Er gab dem Flugpionier den Beinamen Hezârfen, Universalgelehrter, und schilderte:

service-pnp-ppmsca-03800-03822_150pxErst flog er acht oder neun Mal mit Adlerflügeln über die Kanzel von Okmeydani, indem er die Kraft des Windes nutzte. Dann, als Sultan Murad Khan vom Sinan-Pasha-Haus in Sarayburnu zuschaute, flog er von der Spitze des Galata-Turms ab und landete auf dem Doğancilar-Platz in Üsküdar, mit der Hilfe südöstlichen Windes. Dann gewährte ihm Murat Khan einen Sack mit Goldmünzen und sagte »Er ist ein gefährlicher Mann. Er ist in der Lage, alles zu tun, was er sich ausdenkt. Solche Leute kann man nicht behalten«, womit er ihn nach Algerien ins Exil schickte und in den Tod.

R.a53a781d5c19426101448fc7c41c6d86Der Sultan, Murad IV., war schon mit 11 Jahren an die Macht gekommen. Er schrieb später gern Gedichte, was ihn nicht davon abhielt, sich ab 1632 als brutaler Alleinherrscher aufzuführen. In Istanbul verbot er Alkohol, Tabak und sogar Kaffee, und wer sich nicht daran hielt, den erwartete die Todesstrafe. Einmal sollen 18 Menschen an einem Tag deshalb getötet worden sein; die Zahl aller seiner Opfer beträgt 100.000. (Wie gnädig von ihm, Ahmed nur ins Exil geschickt zu haben! ) Aber: Murad starb auch im Jahr 1640, am 8. Februar: also vielleicht noch vor dem tollkühnen Flieger. Der Sultan wurde nur 27 Jahre alt und hatte Leberzirrhose, heißt es in der englischen Wikipedia. Hielt er sich selber nicht an seine Vorschriften? Oder aß er einfach zu fett? (Auf dem Bild links sieht es so aus.)

Der glückliche Pilot wäre also dreieinhalb Kilometer geflogen. Es wurde vorgebracht, der Reiseschriftsteller hätte oft übertrieben und vermutlich auch dort. Jedoch wurde dieser Vorwurf den großen Reisenden immer gemacht, von Herodot bis zu Marco Polo. Was wussten die Daheimgebliebenen von der Welt jenseits des Horizonts? Manche Dinge waren größer als ihre Vorstellungskraft, und dennoch, Autoren übertreiben bisweilen tatsächlich.

Ahmed Çelebi begeisterte viele spätere Flugpioniere in der Türkei. Einer der 4 Flughäfen Instanbuls heißt Hezarfen Airfield, und eine Moschee in der Nähe des Atatürk-Flughafens trägt seinen Namen. — Und mir fiel noch Galatasaray Istanbul ein, der Fußballverein, der 22 Meistertitel gewann, derzeit aber nur Platz 13 von 20 Mannschaften belegt. Der Trainingsplatz der Mannschaft trägt den Namen Jupp Derwall (heute vor 95 Jahren in Würselen geboren), weil der deutsche Trainer (1927-2007) mit Galatasaray 1987 den Meistertitel holte. Derwall war zuvor, von 1978 bis 1984, deutscher Nationaltrainer gewesen. 1980 gewann Deutschland unter ihm die Fußball-Europameisterschaft, zwei Jahre später wurde das Land in Spanien Vizeweltmeister.

 

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