Eiger-Nordwand

Das Matterhorn zu sehen vor einem Jahr war großartig, und danach sollten es Eiger, Mönch und Jungfrau sein, diese heilige Dreifaltigkeit der Berner Alpen. Darum haben wir Mitte März eine Woche in Grindelwald verbracht. Und die Geschichte der Eiger-Nordwand-Begehungen will da als erstes erzählt werden, weil sie mythisch ist.

Unsere Ferienwohnung lag direkt vor dem Eiger, und links vom Gipfel, auf dem berühmten Mittellegigrat, brannte jede Nacht ein Licht. Ein Stern konnte es nicht sein, ein Ufo auch nicht, denn es regte sich nicht. Der Museumsmitarbeiter klärte den Fall: Es sei eine Hütte, mit Sonnenkollektoren ausgestattet, jedoch nur betrieben im Juli und August. — Ich muss gestehen, dass mir lange nicht klar war, dass wir die Nordwand sehen konnten! Ich hielt den Berg für die Südseite, aber klar: Wenn die Sonne links auf- und rechts untergeht, ist vor uns Süden, und der Berg zeigt uns seine Nordseite.  Auf dem Bild unten ist der Eiger (der Name kommt von ogre, Riese) das Ding rechts mit dem Wolkenbesatz, während der Mönch (4107 Meter) dahinter versteckt liegt und die Jungfrau (4158) noch weiter rechts und nicht zu sehen.

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Die Berge sind Felsformationen vulkanischen Ursprungs, also riesige Steine, denen wir Namen gegeben haben, und die Eiger-Nordwand haben wir erst erschaffen. Wir Menschen suchen Höchstleistungen und tödliche Dramen, und an der 1800 Meter hohen labyrinthartigen Wand unterhalb des 3970 Meter hohen Eiger spielten sich Dramen ab, die uns in Wallung bringen. Im Sommer 1936 kamen an der »Mordwand« 6 Bergsteiger um, und Toni Kurz starb am Seil, Minuten vor seiner Rettung. — Der Eiger musste sich gefallen lassen, auf seine Nordwand reduziert zu werden, und es wurde vergessen, dass schon 1858 drei Kletterer als erste den Gipfel erreicht hatten: Charles Barrington aus Irland sowie die Bergführer Christian Almen und Peter Bohren. Aber eben nicht via Nordwand!

SDC10822Am 21. Juli 1938 setzte sich der Österreicher Heinrich Harrer auf sein DKW-Motorrad (rechts im Bild, zu sehen im Grindelwalder Heimatmuseum) und knatterte zur Einstiegsstelle, wo er Anderl Heckmair, Ludwig Förg und Fritz Kasparek traf. In drei Tagen stiegen die Vier hoch über die Nordflanke zum Gipfel (die sogenannte Durchsteigung der Nordwand), und allumher herrschte Nebel. Wir schauen uns ihre Route an (das blaue Band, das sich links emporschlängelt):

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Harrer gehörte zur SS und war auch Mitglied der Nazi-Partei NSDAP. Er soll die Hakenkreuzfahne auf dem Gipfel gehisst haben, doch das ist nicht sicher. Sicher aber ist, dass die Vier danach von SDC10819Adolf Hitler empfangen wurden. Anderl Heckmair bekam sogar einen Job in einer Nazi-Ordensburg, obwohl er nicht zur Partei gehörte. Rechts sehen wir sein markantes Profil. Der Münchner, geboren 1906, wurde übrigens 99 Jahre alt. Harrer schrieb das Buch Sieben Jahre in Tibet, wo er den Dalai Lama unterrichtete. Er starb mit 94 Jahren, und bei unseren vier Helden ist es wie bei den Profi-Rennradfahrern, wo die einen sehr alt werden (Bartali und Ferdi Kübler), die anderen stürzen oder unglücklich leben und ihre Existenz früh beenden. Jedenfalls starb Fritz Kasparek mit 44 in Peru am Berg, Ludwig Förg mit 30 Jahren im Krieg.

SDC10820Den Mittellegigrat links etwas unterhalb des Gipfels hatte schon 1921 der Japaner Yukio Maki von Osten her bezwungen, und links sehen wir den kleinen 27-jährigen Kletterer neben seinen Bgeleitern. Maki wurde 95 Jahre alt. Eine Gruppe seiner Landsleute ging 50 Jahre später (1969) die Direttissima mit einer feldzugähnlichen Unternehmung an. Sie brachten eine Tonne Material mit: 250 Bohrhaken, 200 Normalhaken, 2,4 Kilometer Seil. Jeden Tag schlugen sie Haken ein und befestigten Fixseile und stiegen wieder ab, um sich nach und nach zum Gipfel voranzubasteln.

n-large-16x9-fillDie Haken und Seile blieben erhalten, und sie nutzten Solo-Bergsteiger in unseren Jahrhundert für Speed-Begehungen. Das ist auch im Himalaya eine Alternative zu den militärisch anmutenden Großexpeditionen: solo unterwegs sein, schnell hoch und wieder runter. 2008 brauchte Ueli Steck (rechts im Bild) auf der Heckmair-Route 2 Stunden und 47 Minuten, Daniel Arnold unterbot ihn 2011 mit 2:28 Stunden, bevor Steck im November 2015 den Durchstieg in 2 Stunden 22 Minuten schaffte. Der 1976 im Emmental geborene Schweizer ist leider nicht mehr am Leben: Eineinhalb Jahre später verunglückte er am Nuptse in Nepal, Nähe Everest, tödlich.

 

Bilder: Yukio Maki, Harrer-Motorrad und Heckmair aus dem Heimatmuseum Grindelwald; Eiger: G. Braghetti; Eiger-Route: Schaubild irgendwo am Berg; Steck: aus dem Netz, unbekannter Fotograf.

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