Der Bibliotheken-Engel Harahel

Die Vergebung. Die Verzeihung. Am Tag nach dem Artikel für gestern (für gestern, denn es geschah vor 3 Wochen) stand ich für eine Besorgung in der Ärztinnenpraxis, holte ein Buch aus dem Regal mit Lesestoff (Georges Simenon, Das Gefängnis, 1967) schlug es irgendwo auf und las: »›Ja.‹ — ›Hat sie etwas gesagt?‹ — ›Sie hat mich um Verzeihung gebeten.‹« Ich lachte auf. Alle schauten zu mir her.

024Schon wieder. Anscheinend hatte ich das Ding mit der Verzeihung in meiner Aura, und es kam mir überall entgegen. Bücher haben diese Magie: Du  öffnest manchmal eine beliebige Seite und liest … und manchmal (oft) ist es das, was dich bewegt. (Probiert es mal aus!) Da hat der Bibliotheken-Engel eingegriffen, in Ermangelung eines besseren Konzepts. Über den hatte ich in der Kritischen Ausgabe plus mal geschrieben, in meiner Kolumne Ausreißversuche (2006-2012). Bis vor kurzem konnte man alle Artikel noch abrufen, immerhin zehn Jahre lang, doch nun lese ich, die Seite befinde sich »im Koma« und werde neu aufgebaut und verschlankt.

Hoffentlich fallen den Reformen nicht meine Artikel zum Opfer! Wenn ja, sind sie halt weg. Ich habe keine Version von ihnen. Bedauerlich. Doch man musste etwas finden können. Also gab ich Library Angel in die Suchmaschine ein und fand einen Artikel von Suzanne Sheffield auf LetterPile. Er ist vom Oktober 2021 und heißt The Library Angel Harahel. Dass der Bibliotheken-Engel so heißt (oder Herochiel/Herachiel, wie Autoren der Kabbala schreiben), wusste ich nicht. Frau Sheffield, eine im US-Bundestaat North Carolina lebende Autorin, führt aus:

Der Begriff »Bibliotheken-Engel« wurde zuletzt von Arthur Koestler in seinem Buch »The Roots of Coincidence« erklärt, um bedeutsame Koinzidenzen (Zusammentreffen) zu beschreiben, bei denen sich plötzlich das richtige Buch oder das richtige Zitat einstellt. Manchmal ragt das Buch, das wir suchen oder brauchen, etwas aus dem Regal heraus oder deine Hand hält unwillkürlich darüber an — oder das Buch fällt sogar vom Regal, wie es mir passiert ist.

002Zwei andere Bücher, in denen der angebliche Engel erwähnt ist, sind Coincidence von Brian Inglis und Incredible Coincidence von Alan Vaughn. Das Phänomen der passenden Buch-Passage ist eigentlich nur durch das Eingreifen einer höheren Instanz denkbar, die mehr weiß als wir oder vielleicht alles. Denn wie sollte mein Unbewusstes ahnen, dass auf Seite 97 des Krimis Das Gefängnis über Verzeihung geschrieben wird? (Der Skeptiker kann das Buch gern durcharbeiten, und sollte es 5 Stellen geben, in denen es um Verzeihung geht, dann ist es doch wundersam, auf Anhieb eine davon zu finden!)

Da wären noch zu erwähnen: die book tests, der sich englische Medien unterziehen mussten. Ich glaube, sie wurden gefragt, was auf Seite 445 eines Buches Soundso steht, und es gelang ihnen oft, etwas davon wiederzugeben. — Es macht jedenfalls vergnügt und glücklich, mal wieder von Harahiel geführt zu werden und zu wissen, dass er da ist.

Ich habe ohnehin den Eindruck, es gebe auf der anderen Seite ein Team, das mir in die Hände arbeitet und mir Themen vorschlägt. Denn anders ist es nicht zu erklären, dass sich zuweilen eine Geschichte richtig penetrant aufdrängt und sich geschwind Bruchstücke dazu präsentieren, die zueinanderpassen. So ist manipogo vielleicht ein Gemeinschaftsprodukt von Hier und Dort, und ich bin nur der Sekretär. Es war der große englische Lyriker und Visonär William Blake (1757-1827), der das gesagt hat: »Ich bin nur der Sekretär; die Anderen sind in der Ewigkeit.«

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