Reinkarnation in Tibet und Ägypten
Reinkarnation ist ein Grundpfeiler des tibetischen Buddhismus, aus dem alten Ägypten ist weniger davon bekannt, und für die Christen existiert Reinkarnation nicht. Wir machen wieder einmal einen kurzen Streifzug durch heilige Texte. Ich habe vor ein paar Jahren ja auch noch gezweifelt — aber ich denke, vielmalige Reinkarnation ist die Realität.
Ägyptisches Totenbuch
Die Ägypter hatten viele Götter und redeten der soeben weggeflogenen Seele gut zu, damit sie es in der Ewigkeit auch gut hätte. Das sind viele, lange Texte, unter denen es wenige Hinweise gibt, die auf den Glauben an die Reinkarnation (die Wieder-Verkörperung; carne: das Fleisch) hindeuten. Es geht eher um die Verwandlungen Dort.
Heil dir, du König der Toten. (…)
Ich kenne fürwahr den Willensentschluss
Und die Gesetze des Königreichs, das du beherrschst;
Herr bin ich geworden über die Formen;
Verwandlungen sind mir geläufig im Reiche der Toten.
… Von Osiris
Hab ich das Lebensalter; zahleich
Waren meine Wandlungszyklen.
Durchlaufen hab ich die Reihe der Wesen,
Deren Formschönheit unbekannt ist den Menschen;
Und die Götter, sie ahnen sie nicht.
Dieses Buch wird dich die Verwandlungen lehren können, die eine Seele unter dem Einfluss des Lichtes durchmacht.
Die Götter hindern mein Schreiten nicht.
Ich bin das Gestern.
Ich kenne das Morgen.
Götter, die ihr heraneilt,
Streckt mir eure Arme entgegen!
Denn ein Gott bin ich geworden,
Euch ebenbürtig!
Das Totenbuch der Tibeter
Gestern hatte ich ja darüber geschrieben: nach dem Tod schauen wir durch Gottes Augen. Diese Vorstellung hat es also auch schon vor Taudenden von Jahren gegeben, und bei den Buddhisten finden wir sie auch. Die friedlichen und rasenden Gottheiten treten auf, es ist der sechste Tag nach dem Tod, und Lichter und Bilder erscheinen. Kein Entkommen ist möglich.
Indem du all diese Erscheinungen als die natürliche Strahlung eines eigenen Geistes erkennst, wird deine eigene Strahlung untrennbar mit diesen Lichtern und Bildern verschmelzen und du wirst ein Buddha werden. O Sohn, was immer du siehst, wie erschreckend es auch sein mag, erkenne es als deine eigene Projektion; erkenne es als den Glanz, die natürliche Strahlung deines eigenen Geistes. Erkennst du derart, so wirst du im selben Augenblick ein Buddha, darüber gibt es keinen Zweifel. Was man die Vollkommene Augenblickliche Erleuchtung nennt, tritt im selben Moment ein. Erinnere dich daran!
Immer wieder wird gesagt:
Mit der Erkenntnis geht die Befreiung einher.
Die Buddhisten wollen dem Rad der Wiedergeburt entkommen, darum geht es, das wäre die Befreiung. Wer partout nicht erkennen und von Eifersucht, Aggression und Besitzgier nicht lassen kann, driftet unweigerlich auf eine Wiedergeburt zu. In Tibet gibt es daher detaillierte Unterweisungen zum Schließen des Schoß-Einganges (einer Mutter), um kurz vor einer neuen Geburt rasch noch Befreiung zu erlangen.
Auch in anderen Glaubenssystemen gab es die Vorstellung, besonders verstockte Sünder würden ziemlich schnell wiedergeboren: hoch; und gleich wieder hinunter.
Dann gibt es noch Ratschläge, was bei einer Wiedergeburt in den verschiedenen Himmelsrichtungen zu tun ist; fraglich, dass sich der Sterbende, dem man dies in dessen Agonie vorliest, daran erinnert.
Noch ein paar Gedanken dazu: Ich übersetze diese Vorstellungen immer in unsere Welt. Denken wir etwa an diese eigenen Projektionen! (Projektion ist nicht zufälligerweise auch ein Begriff der Psychologie.) Auch in unserer Welt projizieren wir wie wild. Alles, was uns begegnet — vor allem Mitmenschen — wird durch unsere eigenen Vorannahmen und Emotionen aufgeladen und kehrt zu uns zurück, was unsere Laune noch verschlechtert. Und so bauen wir uns allmählich eine emotionale Welt, die uns eines Tages — aber schärfer konturiert und geradezu schockierend — im Jenseits umgeben wird. Unsere Umwelt ist unsere Schöpfung. Wir sind für sie verantwortlich. Auch und besonders für unsere psychische Umwelt und Innenwelt. In der griechischen Antike hieß es ebenfalls: Erkenne dich selbst! Sieh, was von dir kommt und was von den anderen. Denn mit der Erkenntnis geht die Befreiung einher.