Küssen ist gesund

Eine Plakatserie der Schweizer Krankenkasse Helsana zeigt schön den herrschenden unschönen Trend im Gesundheitswesen. Alles wird auf den Körper reduziert, und darin schwingt Egoismus mit: Ich will gesund sein. Natürlich ist das alles völliger Unsinn; niemand wird jemanden küssen, nur weil es seiner Gesundheit gut tut, soo krank sind wir zum Glück noch nicht. Aber es zeigt, wie diese Leute denken, die mit unseren Krankheiten Geld verdienen. 

Das Problem der Überbetonung des Körperlichen ist ja in dem Beitrag über das Buch Medizin ohne Moral schon behandelt worden. Die Krankenkassen und viele Ärzte sehen den Menschen als Körper, und die Psyche stört dabei. Man möchte ja Pillen und Anwendungen verschreiben, das geht schnell und bringt was ein, und darum geht’s. Aus dieser Perspektive heraus ist es nur logisch zu sagen: Sexualität ist gesund, weil dabei Kalorien verbrannt werden. Es ist aber abstoßend, die Emotionen ins Kalkül zu ziehen und so schöne Dinge wie Umarmungen, Küsse und das Lächeln zu instrumentalisieren.

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Leider ist das Geschäft, wenn Geld die wichtigste Rolle spielt, gnadenlos und kennt keine Moral. Supermärkte und irgendwelche Dienstleister knallen uns in ihrer Werbung Liebe und Leidenschaft nur so um die Ohren, dass man sie sich zuhalten möchte. Ach, sie lieben ihre Produkte und tun alles mit Leidenschaft, doch das haben wir gar nicht verlangt; sie sollen ihre Arbeit korrekt erledigen, ihre Produkte anbieten und nicht so widerlich herumheucheln. Sie sollen uns mit ihrem Gesülze in Ruhe lassen!

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Umarmen beruhigt, ja; doch der oder die andere soll beruhigt werden, wir wollen anderen etwas geben und nicht etwas nur für uns tun. Dieser fundamentale Egoismus, der in diesen Plakatbotschaften steckt, ist anscheinend das Credo dieser Gesellschaft: Es lebe mein Ego. Ich will mich entspannen, ich will mich anregen, das Gegenüber ist unwichtig.

Doch wie oben gesagt: Wir sind normale Menschen und umarmen jemanden, wenn es uns drängt, und wir küssen jemanden, wenn wir ihn wirklich mögen. Sollen doch die Gesundheitsverwalter sich so oft umarmen und küssen, wie sie wollen, wenn sie uns bloß in Ruhe lassen. Die Fotos sind in der Nähe von Zürich Anfang Mai gemacht worden. Mein italienisches Wilier-Rennrad von 2008 sieht immer noch klasse aus. In Zürich fotografierte ich dann noch eine andere Aufschrift, die sicher noch dasteht, während die Helsana-Plakate längst im Papiermüll liegen:

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