What Are You Waiting For?

Immer wenn mich Giovanna auf ihrer Terrasse mit der Frage antreibt »Worauf wartest du?«, denke ich an Rolf Dieter Brinkmann und eine seiner Collagen aus Rom, wo er vor 50 Jahren Stipendiat der Villa Massimo war, bevor er, zurückgekehrt, noch rasch die deutsche Lyrik des 20. Jahrhunderts revolutionierte, um 1975 in Lomdon eines unrühmlichen und geradezu blöden Todes zu sterben: Den Linksverkehr hatte er nicht auf dem Schim, ein Auto fuhr ihn tot. Er wurde 35 Jahre alt. 

20 Jahre vor Sebald schon baute Brinkann in seine poetischen vielseitigen Ergüsse Polaroid-Bilder ein und stellte das Hässliche neben das Erhabene. 1972 war die Beat-Epoche, das Erhabene hatte ausgedient, und Rilke und Eichendorff konnte man nicht mehr ertragen. Also kamen Handke, Günter Eich und Brinkmann, und da war Durchschlagskraft! Sehen wir uns die Collage an:

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Die Philosophie steckt den Deutschen im Blut. Was willst du? Worauf wartest du? Was ist dein Ziel im Leben? Warte nicht auf bessere Zeiten! Brinkmann war jedoch wie viele Poeten zögerlich und melancholisch und rief sich diesen Appell selber zu. Heute, 50 Jahre später, geht es sehr um Selbstverwirklichung und das Wahrmachen von Träumen, von der US-Industrie angeheizt. Du kannst alles schaffen! Gib nie auf!

2022-06-05-0004Brinkmann fuhr in seinem Jahr in Rom nächtens durch die Stadt und lernte sie kennen. Auch die Dunkelheiten hat er sich nicht erspart. Westwärts 1 & 2 wurde dann der Gedichtband, der neue Wege einschlug und überhaupt richtig einschlug. Man sollte Brinkmann lesen — aber auch ich habe es nie richtig getan, Rom, Blicke habe ich nur kursorisch durchgeschaut. 2014 aber habe ich ihm einen Beitrag mit Zitat gewidmet. Ein Gedicht von Brinkmann wird in Drei schöne Gedichte zitiert, ein weiteres in Ende August.

Im Sommer will ich mich einmal mal genauer in Westwärts 1 & 2 vertiefen. Worauf warte ich?

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