Paris—Brest—Paris

Ob das in der Überschrift nun der richtig lange  Strich ist, weiß ich nicht. Wir bräuchten den Streckenstrich, der, was seine Breite angeht, zwischen Binde- und Gedankenstrich rangiert. Es geht jedenfalls um ein richtig langes Radrennen, und als ich in einer französischen Bäckerei die Leckerei namens Paris-Brest sah, holte ich sie mir (2,60 Euro). Auch wenn sie klebrig und schmierig ist und leicht auseinanderfällt.

Zur Illustration hatte ich sie hinter den Sattel gelegt. Immerhin: Ein süßes Teilchen., nach einem Radrennen benannt. Das Buch Radsport furios ist schon einige Zeit her, aber unten zitiere ich mich selbst über dieses berühmte Rennen, das heute (seit 1983) alle vier Jahre ausgetragen wird und 1200 Kilometer lang ist. Die Teilnehmer waren im Jahr 2019 mehr als 6600, alle Randonneure, also keine Profis. Näheres (und Neueres) bei Wikipedia nachlesen, bitte!

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Die Monstertour des jungen Radsports war Paris–Brest–Paris. Es hatte seine Premiere 1891 kurz vor Bordeaux-Paris, und wurde dann für die Profis nur noch fünf Mal veranstaltet ― 1901, 1911, 1921, 1931 und 1951. Man ahnt gleich, warum: nonstop 1196 Kilometer! Englische Fahrer hatten bei der Premiere Startverbot, weil sie alle Rennen gewannen, und man wollte doch so gern auch in Paris einmal die »Marseillaise« hören. Im selben Jahr fand im Madison Square Garden in New York das erste Sechstagerennen statt. 

Am 6. September um 6 Uhr 17 morgens erklingen zehn Trompeten vor dem »Petit Journal« in Versailles. 211 Fahrer machen sich auf den Weg. Michel Dargenton hat einen Bericht über dieses epische Rennen geschrieben: Charles Terront aus Bayonne erreicht Pré-en-Pail (nach 215 km) um 17 Uhr, und in Vioré trinken er und sein Gegner Joseph Louis Laval, genannt  Jiel-Laval, ein Glas Milch. Die Nachtfahrt beginnt. Die Räder (»machines«) mussten mit Scheinwerfern ausgerüstet sein. Um 2:15 Uhr trifft Terront in Montauban-de-Bretagne ein, doch der Kontrolleur liegt im Bett und muss erst geweckt werden. Der letzte Fahrer meldet sich dreizehn Stunden später.

Der Letzte hat zehn Tage Rückstand

IMG_2774Terront liegt zwar konstant vor Jiel-Laval, aber ein Streit mit einer Gruppe von dessen Anhängern kostet den Mann aus Bayonne Zeit. Jiel-Laval trifft als erster in Brest, am Wendepunkt, unter dem Jubel von 100.000 Zuschauern ein. 121 der 210 Gestarteten schaffen es bis dorthin, doch der Letzte hat 98 Stunden und 28 Minuten Rückstand: vier Tage. Terront liegt bloß 80 Minuten hinter seinem Kontrahenten. Dann verliert Jiel-Laval durch eine Panne zwei Stunden, weswegen er in St. Brieuc (746 km) erst nach Terront einläuft, der um 3:35 Uhr registriert wird. In Pré-en-Pail macht Terront dreizehn Minuten Pause. Dreizehn Minuten! Um 21:11 Uhr sieht er in Mortagne ein Feuerwerk, hat einen Unfall und muss einen Kilometer zu Fuß zur Schmiede. Wieder eine Nachtfahrt. Jiel-Laval hatte sich etwas hingelegt, und Aufpasser sollten die Ankunft seines Konkurrenten melden.

Doch Terronts Manager Herbert Duncan erfährt davon (er ist gut befreundet mit De Civry, Jiel-Lavals Manager, und vielleicht auch mit dessen Mitarbeitern), und sein Schützling umfährt das Hotel, in dem sein Konkurrent ruht, weitläufig. Das ist ein Schlag, von dem Jiel-Laval erst zwei Stunden später erfährt und von dem er sich nicht mehr erholt. Charles Terront trifft ziemlich genau drei Tage nach dem Start in Versailles ein, um 6:37 Uhr. Er war 71 Stunden und 37 Minuten (oder 16 oder 22) auf dem Rad. Jiel-Laval hat acht Stunden Rückstand, der dritte kommt um 6:07 Uhr am nächsten Morgen. Der 98. und Letzte, Laurent aus Bordeaux, erreicht am 16. September das Ziel, zehn Tage nach dem Start. 245 Stunden war er auf dem Rad!

Bei der letzten Austragung 1951 brauchte Maurice Diot nur noch 38 Stunden und 36 Minuten und legte über die damals 1.182 Kilometer einen Schnitt von 30,3 hin. Später wurde das Monsterrennen für Freizeitfahrer neu aufgelegt und erblühte.

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