Flugverkehr (8): schwebende Räder

Es sieht tatsächlich aus, als schwebten da Fahrräder in der Luft. Im Glattzentrum, einem großen Einkaufszentrum in Glattbrugg nördlich von Zürich, sah ich eine hübsche Installation: Hollandräder mit Blumen in ihren Körben in der Luft, aufgehängt an Drähten. Man hatte sogar eine Amsterdamer Skyline von Grachtenhäusern als Hintergrund geschaffen.

Erste Frage: Wo sind wir? Ist das ein Innenraum oder schon öffentlicher Raum? Die Einrichtung ist für die Passanten der Einkaufsmeile gedacht, die etwas zum Schauen wollen. Eigentlich handelt es sich um einen nach innen verlegten Außenraum. Die Verwalter dieser Einkaufszentren müssen anscheinend Entertainer sein. Holland war wohl das Thema des Monats, und unten stand eine echte Windmühle, deren Flügel sich langsam drehten. Man muss sich nicht fragen, was das soll, Holland war eben Thema, so wie im nächsten Monat Japan Thema sein könnte oder die Mongolei. Dann: Tundra und kleine Pferde, Jurten und Schamanen. Wie sich der normale Mensch das eben vorstellt.

 

Die Fahrrad-Installation war aber toll. Ich hätte sie beinahe nicht gesehen und wurde erst durch eine Frau darauf aufmerksam, die ihren kleinen Fotoapparat darauf richtete. (Am Tag davor hatte ich einen schönen Regenbogen in Winterthur gesehen und fotografiert, und eine junge Frau sagte: »Wenn Sie nicht fotografiert hätten, hätte ich ihn nicht gesehen.«)   

 

Zweite Bemerkung: Man sieht an den Fotos, wie schwer es ist, Dreidimensionales auf zwei Dimensionen zu zeigen. Dass die Räder in der Luft schweben, sieht man nicht sofort. Räumlich zu sehen, ist etwas, was wir gelernt haben, und auf Fotos brauchen wir ganz deutliche Signale, dass etwas über den Raum verteilt ist. Was ist Raum? Darüber haben sich viele Philosophen Gedanken gemacht. Wir sehen ihn ja nicht, so wenig wie wir die Zeit sehen. Die Objekte im Raum definieren diesen.

 

Und dann, zum dritten: Fahrräder sind talentierte Dekorationsgegenstände. Sie lassen sich als Design benutzen, aber niemand nimmt sie mehr ernst. Sogar in der Schweiz. Draußen, vor dem riesigen Einkaufszentrum, sind zehn Räder an den Fahrradständern befestigt (darunter meins). Die mehrstöckige Parkgarage ist voll. Man muss mehrere Runden fahren, um einen freien Parkplatz zu finden. Es gibt viel mehr schwarze Porsche Cayennes und Audi Quattros und mehr von diesem Zeug, als es Fahrräder gibt.  

Ist eigentlich völlig gegen die Wahrscheinlichkeit, da ein Rad viel billiger und praktischer ist. Die meisten Leute kaufen ja auch nur wenig ein. Aber sie kommen sich eben verarmt und ungeschützt vor, wenn sie mit dem Rad kommen. Arme Leute.   

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