Rückkehr ins Leben (10): Müller

Lang hat es gedauert, vier Monate, bis wieder ein Beispiel die frühere Serie Davongekommen bereichert, die erst rückwirkend zu Rückkehr ins Leben wurde. Mein Auszug ist aus dem Buch Warten auf Antwort von Margret Bechler, die 12 Jahre in Haft war, davon 7 Jahre in der jungen DDR. Im Zuchthaus Waldheim 30 Kilometer nördlich von Chemnitz wartete sie in der Todeszelle wie 31 andere, von denen 26 hingerichtet wurden. 

028Waldheim soll das älteste noch betriebene Gefängnis in Deuscthland sein. Es war ursprünglich ein Jagdschloss, das August der Starke 1716 zu einem Zucht-, Armen- und Waisenhaus machte. Seit 300 Jahren sitzen dort Verurteilte ein. Von 1870 bis 1874 war ein Insasse der Mann, der später als Karl May Bekanntheit erlangen sollte. Nach dem Zeeiten Weltkrieg wurden die sowjetischen Speziallager aufgelöst, und die Behörden der 1949 gegründeten Deutschen Demokratischen Republik mussten 14.000 Häftlinge übernehmen. In Waldheim wurden von April bis Juni 1950 3395 Schnellprozesse geführt, und viele mutmaßliche Nazis wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, 32 zum Tode. Der Bundesgerichtshof nannte das einmal einen »krassen Missbrauch der Justiz« durch die DDR.

Margret Bechler schildert die Hinrichtung, und die hässlichen Details muss man schon drinlassen. Also Vorsicht, man muss das nicht lesen!

Von den zweiunddreißig Todeskandidaten, die im Oktober nicht begnadigt worden waren, wurden sechsundzwanzig in der Nacht vom 3. zum 4. November hingerichtet. Es geschah heimlich, wir haben alle nichts bemerkt. Es soll herausgekommen sein durch einen Mann, den sie verwechserlt hatten, der hat alles erzählt. Er hieß Müller, und als man merkte, dass er nicht der richtige Müller war, stand er schon auf dem Stuhl unter dem Haken, und das Seil baumelte über ihm, da hat man ihn wieder heruntersteigen lassen und den anderen Müller gesucht.

Der am Leben gebliebene Müller erzählte dann, was er erlebt hatte. Man hatte eine der Kellerzellen, die ich später kennenlernte, schalldicht gemacht, damit nichts nach draußen dringen konnte. In die Decke war ein Fleischerhaken eingemauert worden. Dann brauchte man nichts weiter als einen Schemel und einen Strick. Man hat die sechsundzwanzig der Reihe nach hinuntergeführt, sie auf den Schemel steigen lassen un dihnen den Strick um den Hals gelegt, dann stieß man den Schemel weg. Darauf wurden sie abgebunden und in eine Ecke geworfen. Der nächste, der hinuntergeführt wurde, sah seinen toten Vorgänger auf dem Haufen liegen und wusste, dass auch er in wenigen Minuten dabei sein würde. 

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