Der Pinienzapfen

Von dekorativer Kunst, wie sie vor 100 Jahren gepflegt wurde, ist in unseren Breiten heute nicht mehr viel zu sehen. Die Rauten, Muscheln und Gesichter auf den Fassaden früherer Zeiten wollten etwas sagen; da gab es einen geheimen Code, zu dem auch der Pinienzapfen gehört. Ihn haben wir mehrere Male gesehen. Er bedeutet etwas.

Bewusstsein schafft Bedeutung. Wenn es verarmt ist, lässt es einen Kubus entstehen, sagt, das sei ein Haus und begnügt sich damit. Die Verzierung erst schafft Magie. Es gibt Dinge, die haben eine Aura um sich, die Tradition ihnen verlieh. Sie sind symbolisch, stehen also da für etwas Anderes. Diese Gedankenwelt um gewisse Dinge herum berührt das Heilige, das Göttliche, das sich ja selten zeigt, aber durch die Dinge beschworen wird. Man darf es magisches Denken nennen, wenn wir uns mit dem Pinienzapfen, bald mit dem Meer und den Sirenen geistig beschäftigen. Damit greifen wir über uns hinaus und erheben uns über das Tier.

SDC11114Der obige Pinienzapfen steht auf der rechten Ecke des Balkons unserer Wohnung in Tropea. Eine Gartenbauzeitschrift schreibt:

Innerhalb der Schuppen der Pinie befinden sich viele Samen – ähnlich wie beim Kürbis und beim Granatapfel. Die Kerne wurden oft mit Reichtum, fleischlicher Liebe, Unsterblichkeit und Zeugungskraft in Verbindung gebracht. Das phallische Erscheinungsbild und die flammenähnliche Figur sollen dieses Bild vermitteln. 

Es gibt Abbilder aus früheren ägyptischen Zeiten, die gekrönte Götter zeigen, die einen Pinienzapfen in der Hand halten — Sinnbild für Reichtum und Männlichkeit. Zudem glaubte man, der Pinienzapfen könne die Seele vor dem Verderben bewahren, weshalb das Holz für Särge benutzt wurde. Der Pinienbaum wurde zudem oft auf Friedhöfen eingepflanzt. 

IMG_2079Das Bild oben hatten wir gestern schon einmal, da flankieren die beiden Zapfen den Eingang. Die Pinie gehört zur Gattung der Kiefern und kann 250 Jahre alt werden. Ihre Höhe beträgt bis zu 30 Meter. Wir haben sie vermutlich oft gesehen, und die beiden Bäume oberhalb des Meeres in Rinella auf Salina könnten Pinien sein.

IMG_2328Wikipedia sagt uns, im Christentum habe die Pinie als Baum des Lebens gegolten, und ihre Blütenzapfen seien als Symbole für die Auferstehung und die Unsterblichkeit angesehen worden. Diese Symbolik wurde aus den antiken Kulten um die Isis, Dionysus und Kybele übernommen. Der Pinienzapfen wurde gern von den Römern verwendet und auch bei Profanbauten als Dekorelement eingesetzt.

Am schönsten das Schlussbild mit dem geradezu zelebrierten Pinienzapfen neben einer Treppe, die hinauf führt wohin auch immer: gesehen im Restaurant Cusiritati auf Panarea. (Die Fotos immer von Giovanna Braghetti.) Wohin uns der Sieg der Rechten in Italien führt, wissen wir auch nicht, können es aber ahnen. Giorgia Meloni hat es geschafft, ihre Partei Fratelli d’Italia ist die stärkste geworden.  Gerade amüsierte ich mich über die Tagesschau-Übersetzung der Partei als »Brüder Italiens«. Das klingt einfach doof. Fratelli d’Italia heißt die italienische Nationalhymne. Das ist ein feststehender Ausdruck. — Die Politik kommt demnächst wieder dran.

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