Die Theorie der Erde

Der schottische Gelehrte James Hutton (1726-1797) gilt als der »Vater der modernen Geologie«. Er, der Einzelgänger, war dem Denken seiner Zeit weit voraus. 1785, als immer noch die (sich auf die Bibel stützende) Ansicht herrschte, die Erde sei um die 6000 Jahre alt, veröffentlichte Hutton seine »Theorie der Erde« und behauptete, unsere Erde sei uralt, man könne ihren Anfang nicht einmal erahnen. Das war unerhört. 

OIPhuttonHutton begriff die Wirkung der vielen Vulkane der Erde, von denen heute nur mehr der Stromboli aktiv ist. Er brach am 9. Oktober aus, also vier Wochen nach unserem Besuch, und glühende Lava floss auf der anderen Seite hinunter, auf einer anderen Sciara del fuoco hinunter bis ins Meer. Ein Schauspiel!

Der Schotte diskutierte in seiner »Theorie der Erde« die Wirkung von Hitze auf Gestein. Er erwähnte die zahlreichen Vulkane der Erde und das Vorhandensein von unterirdischen Lavaströmen. Da findet man also Muscheln in Felswänden und in den Bergen versteinerte Fossilien — wo kommen die wohl her, wenn nicht vom Meer? Steine bergen Materialien in sich, die an der Küste vorkommen. Hutton spekulierte, dass vor unserer Zeit Land (also Felsen und Steine) durch Erosion auf den IMG_2288Meeresboden gelangte und durch die extreme Hitze unteririscher Kanäle zusammengeschmolzen und danach wieder gehoben wurde; und dies sei eine zyklische Bewegung, die womöglich viele Male sich wiederholt habe. Wie lange es dauere, bis das Land abgetragen sei und sich auf dem Meeresboden finde, könne man unmöglich sagen. Er folgerte,

dass gegenwärtig auf dem Meeresboden die Grundlage eines künftigen Landes liegt, das nach einem unbestimmbaren Zeitraum  wieder zu erscheinen hat … wodurch, nach menschlicher Beobachtung, diese Welt weder Anfang noch Ende hat.

IMG_2161Das war kühn, das musste den Zeitgenossen verrückt erscheinen. Gott hatte, wie alle meinten, die Welt so erschaffen, mit Menschen und Tieren darauf. James Hutton war auch gläubig, aber er vertraute seinen Erkenntnissen und meinte vorsichtig, wenn die Theorie stimme, müsse man »der Natur« Weisheit und Wohlwollen zuschreiben. Er glaubte, dass die Erde dazu gemacht sei, uns Menschen darauf leben zu lassen. Nur sind die Zeiträume ihrer Entstehung menschlichen Begriffen entzogen, und sie entsteht und vergeht weiter, vielleicht noch Jahrtausende lang.

Erst 40 Jahre nach Huttons Tod begann seine »Theorie der Erde« akzeptiert zu werden. Der Schotte war ein unabhängiger Geist und hatte das Glück, sich seinen Interessen widmen zu können. Er unternahm viele Reisen, studierte als junger Mann in Paris und bewirtschaftete danach 14 Jahre mit neuen Methoden ein Landgut in Slighshouses 60 Kilometer südwestlich von Edinburgh. Auf die Landwirtschaft aufmerksam machte ihn das Buch Horse-Hoeing Husbandry eines gewissen Jethro Tull (1641-1714), der genaue Furchen bekam, weil Pferde spezielle Hacken (hoes) zogen, und aus Büchsen fiel automatisch das Saatgut in die Furche.

(Ian Anderson von Jethro Tull erwähnt hier die tonnenschweren Traktoren der ertragshörigen Monster-Landwirtschaft von heute, die den Mutterboden festpressen wie Beton; es wäre Zeit, zurückzugehen, sagte er, und dann intoniert die Band »Heavy Horses«.)

Als die Farm gut lief, zog Hutton nach Edinburgh und blieb den Rest seines Lebens dort. Sein Studio war, wie Besucher berichteten, vollgestellt mit Geräten und Vitrinen mit Violen. Geheiratet hat der Forscher nie.

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