Und wen spielen wir?

Für heute suche ich aus meinen Bildkollektionen mal ein paar unheimlich wirkende Fotos heraus und erinnere — ein Hauch Gelehrsamkeit muss sein! — an Rudolf Otto (1869-1937), der in seinem Buch Das Heilige (1917) von einem mysterium tremendum spricht, einem »schaudervollen Geheimnis«, wenn wir uns der Gottheit nähern.

Klar, bei Halloween geht es um die Toten und vor allem den Tod als das Andere, das Angstmachende. Doch auch das Göttliche löst unheimliche Gefühle aus. Bei Otto wird das schaudervolle Geheimnis durch ein faszinierendes Geheimnis ausgeglichen; Schaudern und Vertrauen halten sich die Waage. Das Göttliche wird zum Numinosen — einem übernatürlichen Wesen ohne genauere Vorstellung. Auch beim Tod gibt es die beiden Sichtweisen. Der Angst vor der Auslöschung steht die Hoffnung auf einen Neubeginn in der anderen Welt gegenüber, und Letzteres war Spiritualisten und Mystikern eine Selbstverständlichkeit, so dass sie oft sagten, ergänzt durch Stimmen aus der Geistigen Welt: »Den Tod gibt es nicht.«

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Die jammernden Seelen im Fegefeuer

Die jammernden Seelen im Fegefeuer

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Die letzten drei Fotos habe ich an Fasnacht 2020 gemacht, noch vor der weltweiten Maskenzeit. Früher trugen die Frauen im venezianischen Karneval solche »Larven«, um sich interessant zu machen oder unerkannt zu bleiben. Die drei abgebildeten Damen waren mir ans Herz gewachsen, doch sie leben nicht mehr.

OIPlippiSie haben eine neue Existenz, und dazu passt ein Gemälde von Lorenzo Lippi (1606-1665), die »Allegorie der Simulation«. Damit wird die Schauspielkunst bezeichnet: dass wir etwas simulieren, etwas spielen. Ist die Maske der jungen Frau ihr vergangenes, ihr zukünftiges oder ihr wahres Gesicht? Und wen spielen wir?

 

 

 

 

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