Außen und innen

Wir wollen uns nochmals dem Geld widmen, aber zunächst noch mehr zu dem Begriff Zahir (besser: zâhir) sagen, was uns zu einem kleinen Exkurs über orientalische Philosophie führt. Drei Begriffe brauchen wir dazu: zâhir — die Außenseite, das Manifestierte, das Äußerliche; bâtin — das Esoterische, Verborgene; ta’wil — die Auslegung oder die Erkenntnis.

In Sure 57 des Korans heißt es:

Er ist der Erste und der Letzte, das Evidente (al-zzahiru) und das Immanente (al-batinu) …

Gott manifestiert sich der Kreatur durch und in den anderen Kreaturen. Er ist außen und innen zugleich.Wir selber haben eine Außen- und eine Innenseite. Die mystischen Sufis sprechen von der Auslegung des Sichtbaren (ta’wil al-zahir), worunter sie die Natur verstehen, und vom Esoterischen des Exoterischen (bâtin al-zâhir), womit sie den Imâm in uns meinen, vielleicht unsere unsterbliche Seele, unsere Leitgestalt.

Bei den Persern, namentlich bei Sohrawardi (1191 hingerichtet), befinden sich alle Lebewesen im mênôk- und gêtîk-Zustand. Jeder Gegenstand und jede Person hat seine (unsichtbare) Entsprechung in der anderen, höheren Welt (gêtîk). Im Tod lassen wir unseren sichtbaren Körper als Hülle zurück und begegnen unserem himmlischen Ich, unserer unsterblichen Seele, der daênâ, und sie widerspiegelt unser geistiges Leben: ist also schön, wenn wir gottesfürchtig gelebt haben. Unsere niedere und unsere höhere Natur sollen vereinigt werden, Außen und Innen zusammenkommen. Perfekt sollen wir sein.

Der Geistführer will uns dabei helfen, verzweifelt jedoch vermutlich, wenn wir uns auf den Pfad des Bösen begeben. Vielleicht treffen wir ja dann unser Höheres Selbst überhaupt nicht, und erst durch Reue und Läuterung können wir sie wieder anlocken? Im Sohar, dem berühmten Buch der Kabbalisten (das Buch des Glanzes), heißt es, jedem seien zwei Engel zur Seite gegeben, als Helfer; wenn wir fehlgehen, werden sie zu unseren Anklägern. Sie sind sizusagen unser Gewissen.

Wer sich den Studien und der Erwerbung esoterischen Gedankenguts hingibt, wird schließlich mit seinem Höheren Selbst vereinigt und den Engeln vergleichbar. 

Durch ein gottloses eben haben wir eine Atmosphäre um uns geschaffen, die wir mit hinübernehmen, und so bevölkern wir unseren indivduellen Hmmel oder unsere individuelle Hölle.

Was uns der Zahir vielleicht sagen will, ist dieses: Wir leben auf der Erde in einer Art Hypnose und vergessen unsere himmlische Herkunft und das Einssein mit allen Lebewesen; wir denken nur geradezu besessen an unsere irdischen Belange. Und das Geld und die Jagd nach ihm ist ein Sinnbild unserer Verblendung. Die nicht verblendet waren, das waren die beiden gestorbenen Frauen — Beatric (im Aleph) und Teodelina (im Zahir) —, die Borges liebte und die anders lebten, spontan und würdevoll. Bei ihnen wurde eine unsichtbare Kraft sichtbar: Sie wurde ausgelebt.

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